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Häuser und Menschen im alten Berlin / von Hans Mackowsky
Entstehung
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Triumphe feierte. Dann sah sie es ersetzt durch den umfänglichen Bau von Lang- hans, in dem Iffland als Direktor waltete und Schiller mit Kotzebue um den Erfolg des Augenblicks streiten mußte. Und ihre letzten Theatereindrücke empfing sie in Schinkels Tempelbau.

Aber so sehr sie des Theaters als Anregung bedurfte, der höchste Genuß, den sie kannte, der des eigenen Geistes, winkte ihr in den vier Wänden ihres Hauses. Nicht so sehr das Eckzimmer, wo sie ihren ersten Salon hielt, war der Schauplatz dieser unentbehrlichsten aller Freuden, sondern oben die Man­sarde,bequem, doch ohne Luxus eingerichtet", mit einem schrägen Dach­fenster und dem Porträt Lessings an der Wand. Hier hat sie 17931808 ihre glücklichsten, auch ihre schmerzvollsten Jahre verlebt.

Da ist mein Mausoleum", schrieb sie später in fast wehmütiger Er­innerung.Da Hab ich geliebt, gelebt, gelitten, mich empört. Goethen kennen lernen. Bin mit ihm ausgewachsen, Hab ihn unendlich vergöttert! Da wacht ich und litt viele, viele Nächte durch, sah Himmel, Gestirne, Welt mit einer Art von Hoffnung; wenigstens mit heftigen Wünschen. War unschuldig..." Welche Erinnerungen mögen sie heimgesucht haben, als sie diese Zeilen schrieb! Da standen die beiden bittersten Enttäuschungen ihres Herzens wieder auf: die Leidenschaft zu dem schwachen, unselbständigen Grafen Karl von Finckenstein, die sich durch Jahre hinschleppte, und bald danach, 1802, die nicht minder ernsthafte Liebe zu Don Raphael d'Urquijo, dem jungen spanischen Legationssekretär, der mit der despotischen Eifer­sucht des Südländers den eingeborenen Freiheitsdrang einer reifen, ihrer selbst sicheren Frau von unverführbarem Adel der Seele zu knechten ver­suchte. Und mit diesen Enttäuschungen lebte auch das reinste Glück dieser Jahre von neuem auf: der Tempeldienst, den sie Goethe geweiht und der durch das persönliche Zusammentreffen mit dem Idol in Karlsbad 1795 noch an priesterlicher Inbrunst gewann.

Der Vater starb früh, die Brüder, alle jünger als Rahel, gingen einer nach dem andern aus dem Hause, die Schwester Rosa verheiratete sich,

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