nun auskosten, und sie empfand diese Bitternis bei ihrer schwankenden Gesundheit doppelt.
„Es dauert zu lange, zur Probe, zur Buße, zu was es sei", klagte sie; aber es ging doch vorüber. Und wenn auch nicht das alte, ruhige, so kam doch ein neues Leben, eines, auf das sie sich gewiß keine Hoffnung mehr gemacht hatte: an der Seite eines Mannes. Am 27. September 1814 reichte sie Varnhagen von Ense ihre Hand, nachdem sie an demselben Tage in aller Stille die Taufe empfangen hatte. Sie war dreiundvierzig, er noch nicht dreißig. Und sie erschien ganz aufgeheitert: „Es ist ein durchaus vergnügliches Evenement, und es wird eine äußere angenehme und innen gar keine Veränderung machen..."
Zum Teil behielt sie recht. Ihr Wesen blieb unverändert, Varnhagen war nicht die Persönlichkeit, von der eine Rahel abfärben konnte. Aber die äußere Veränderung war keineswegs nur angenehm. Denn der diplomatische Dienst, der Varnhagen an die Person des Staatskanzlers Hardenberg attachierte, trieb das Ehepaar zwischen Wien und Paris hin und her und hinderte vor allem Rahel, sich einzuwurzeln und den Garten ihres Inneren recht zum Blühen zu bringen. Wien, Frankfurt am Main und Karlsruhe sind die größeren Etappen dieser späten Wanderjahre. In unbequemen und engen Quartieren regte sich die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies der Jägerstraße. „Ich, die ich ewig gut wohnte bei Mama; der Quartier, Lokal alles ist; die ein schlechtes geradezu tötet. Siehst du", schreibt sie an ihre Schwester Rosa Asser Ausgang 1815, „ich habe kein Glück; denn seit meiner Verheiratung wohne ich so. Immer sur ckemin et voie, was mich der Position wegen in der Jugend entzückt hätte, jetzt aber mir ein Greuel ist, der mir Heimat, Asyl, und Ruhe und Muße raubt."
Aber einmal endete auch dies „Herunterschneien" in fremde Orte. Varnhagen erhielt 1819 seine Abberufung aus Karlsruhe, die zugleich das Ende seiner diplomatischen Laufbahn bedeutete, und seit Oktober war das Ehepaar wieder in Berlin.
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