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Häuser und Menschen im alten Berlin / von Hans Mackowsky
Entstehung
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Spekulation auf eine Papiermühle rüttelte an dem gesicherten Wohlstand des Elternhauses. Des Äußersten schon gewärtig, wußte sich der ohnehin leichtverstimmte und krankhaft reizbare Vater, dessen Leiden unter dem Druck der Verhältnisse in schwere melancholische Zustände umschlug, keinen Ausweg, als die schleunige Rückkehr des Sohnes. Die Stimmung, die der junge Decker in Basel vorfand, drohte indessen auch seinen Lebensmut zu lähmen. Mit jener Entschlossenheit der Jugend, die von den Zurück­bleibenden stets verkannt und mißgedeutet zu werden pflegt, machte er sich im Herbst 1750 auf die Reise nach dem Glück.

Etwas kleinmütig und vom Schicksalswind zerzaust, hielt er nach einem bösen Winter im Frühling 1751 seinen bescheidenen Einzug in Berlin. Auch hier wollte ihm das Glück zunächst nicht lächeln. Er war schon dank­bar, beim Hofbuchdrucker Henning Kondition auf sechs Monate zu finden. Die gelehrte und schöngeistige Literatur bediente sich zu jenen Zeiten fast ausschließlich der französischen Sprache. Der König hatte eben seine oeuvres ckoiÄes drucken lassen, französisch war das offizielle Idiom der wieder aufgelebten Akademie der Wissenschaften und französisch, wie die Alten sangen, pfiffen die Jungen. Aber die Setzer und Korrektoren beherrschten, wenn überhaupt, doch nur den Jargon des modischen Deutsch-Französisch, und in ihren Drucken wimmelte es von orthographischen und grammati­kalischen Willkürlichkeiten. Hier kam nun dem jungen Typographen seine Sprachkenntnis zustatten, und sein Berliner Erstlingsdruck, das von Voltaire unter dem Namen M. de Francheville veröffentlichteSiècle de Louis XIV", unterschied sich durch die Reinheit des Satzes sehr auf­fällig von dem Durchschnitt der Leistungen anderer.

Neben Decker stand in der Henningschen Offizin Reinhard Grynäus, der zweite Sohn des kürzlich verstorbenen akademischen Buchdruckers Jean Grynäus, am Setzerkasten. Ebenfalls schweizerischer Abstammung, begrüßte der junge Grynäus in Decker einen willkommenen Landsmann des seligen Vaters, der noch dazu ein Patenkind der Kolmarer Großmutter seines

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