Druckschrift 
Häuser und Menschen im alten Berlin / von Hans Mackowsky
Entstehung
Seite
189
Einzelbild herunterladen

Heimweh Hab' ich doch wieder bekommen und obwohl ich sagen kann, daß ich überall Heimat habe so komm' ich mir doch ganz heimatlos vor... allein während der Zeit, die ich bei Ihnen verlebte, fühlte ich keine Sehnsucht." Als ein liebes Andenken bewahrte Jenny eine Älskizze von Otto Wichmann, einem Sohne des Professors, auf der sie vermerkt hatte: Zimmer in Professor Wichmanns Haus in Berlin, wo wir oft bis spät in die Nacht hinein im Gespräche mit Mendelssohn und Taubert saßen." Es ist jener große, niedrige, im ersten Stock nach dem Hofe gelegene Raum mit der kleinen Bühne, der schon erwähnt wurde. Auch was dort gesprochen wurde, läßt sich erraten; es betraf gewiß den bald erfolgenden Übertritt Jennys von der Bühnenlaufbahn zur stilleren, aber vertiefteren Kunst der Oratoriensängerin. In frischer Erinnerung an diese Gespräche mit Jenny schrieb Mendelssohn die seelenvollen Sopranstellen in seinem OratoriumElias".

Nahm sie so manches kostbare Andenken mit, so hinterließ sie doch auch ein beglückendes Gastgeschenk: das schöne Porträt von Eduard Magnus' Hand, das lange Jahre im Feilnerhause hing, bis es 1877 in die National­galerie kam. Ein Unfall traf sie am Schluß des Winters; sie verstauchte sich den Fuß und mußte drei Wochen lang liegen. Diese unfreiwillige Ruhe nutzte der Professor, um ihr Porträtmedaillon zu modellieren. Zwei in die grün gestrichenen Wände des Hausflurs eingelassene Gips­medaillons wirken wie ideale Stilisierungen ihres fromm gescheitelten Kopfes, der an die spröde Zartheit der frühen Raffaelmadonnen erinnert.

Die Jahre gingen und eine dritte Generation zog in das Feilnerhaus. Der Professor starb 1859, seiner kränklichen Frau behagte die Stadt­wohnung nicht mehr und sie vertauschte sie mit einer draußen vor dem Potsdamer Tor in der eben erst angelegten Viktoriastraße. Das Feilner­haus aber kaufte Wilhelm Gentz, der Orientmaler, der es als Mieter schon bewohnt hatte. Hier führte er 1861 seine junge Frau Ida, geb.

189