Mondlicht und Wolkenschatten zog wie ein bewegter Traum über die geisterhafte Blasse der steinernen Häuserreihen ...
Für mehr als Übungen wollte weder der junge noch der alte Meister diese Arbeiten gelten lassen. Er hatte, wie später mit dem Zimmermannsbleistift, hier mit dem Pinsel „exerziert", die Geschmeidigkeit der Hand, die Treue des Gedächtnisses erprobt. Daß in ihnen ein genialer Maler zur Reife der Selbstbesinnung gelangt war, hat er niemals empfunden. Für uns dagegen sind sie ein Höchstes. Sie leuchten von Schönheit, von dem Glück innerer Beschwingtheit, das auch den Größten nur selten zuteil wird. Die Gunst der Stunde hat ihnen gelächelt, und ganz durchsonnt von ihr stehen sie da, leicht und unbeschwert von den Mühen des Handwerks, absichtslos und unbekümmert um jede Wirkung, durchklungen von einer Musik der Seele, wenn sie, beruhigt und leidenschaftslos ihrem Triebe hingegeben, sich selbst genießt. Da ist alles Eingebung und Zufall und Reiz und Überfluß. Die Launenhaftigkeit des Bildausschnittes, die feinfühlige Beobachtung der Helligkeitsgrade, die zarte und doch bestimmte Differenzierung der Töne, die Illusion des Raumes — alles scheint weit hinausgehoben über den Zwang der Wirklichkeit, dem in Wahrheit der Künstler dienend sich fügte.
Auf Vorbilder ist nachdrücklich hingewiesen worden: auf Blechen, der etwa mit seinem „Blick auf Häuser und Gärten" ähnliche, durch das Atelierfenster gesehene Zufallsausschnitte impressionistisch wiedergegeben hat, auf Dahl und seine Wolkenstudien über der Dresdener Elbniederung, auf Constable, an dessen elegisch-idyllische Landschaften Menzel in der „Berlin- Potsdamer Eisenbahn" und dem „Palaisgarten" erinnert. Man hat sich bemüht, diesen geistverwandten Beziehungen den festen Halt historischer Nachweise zu geben. Aber wird damit das Phänomen erklärt? Heißt das nicht vielmehr das Geheimnisvolle genialer Begabung materialistisch ausdeuten, ein Wunder seiner tiefsten Schönheit, der Unerklärbarkeit, berauben? Was Menzel an jene „Vorläufer" bindet, ist nicht bewußtes Nachahmen,
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