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Die erste Rabbinerversammlung und Herr Dr. Frankel / von Dr. Sam. Holdheim
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Conceſſtonen bewegen dürfen; iſt das Gegentheil der Fall, ſo werde ich das, was eine unbefangene Prüfung mir in meinem Glauben als Irrthum nachgewieſen hat, auch, dann aufgeben müſſen, wenn es mit der Zeit in noch ſo ſeliger Harmonie ſteht.) Die Zeitgemäßheit iſt alſo, wo es eine Prüfung des Glaubens gilt, unbedingt verwerflich und iſt deren Einfluß auf die vorhabende Unterſuchung vorweg auszuſchließen. Aber wie kommt H. F., der der Zeit überall den Krieg erklärt, mit einem Mal zu dem Gedanken, die Zeitgemäßheit als ein wichtiges Moment hinzuſtellen, wo es ſich um die Ausſöhnung des Glaubens mit dem Leben handelt?

Die Ausſöhnung des Glaubens mit dem Leben, welche H. F. in einem Vorderſatze die Zeitgemäßheit nannte, nennt er in einem Nachſatz:die Anerkennung, daß bas Judenthum einer Fortbildung fähig fet. Welches Judenthum iſt einer JFortbil­dung fähig, das moſaiſche oder rabbiniſche? Für H. J. giebt es aber keinen ſolchen Dualism, keine ſolche Trennung, ſondern ein organiſches, moſaiſch⸗rabbiniſches Judenthum. Iſt aber auch das moſaiſche Judenthum einer Fortbildung fähig, und hat es ſich zum moſaiſch-rabbiniſchen wirklich fortgebildet, ſo hat ja H. F. hierdurch den erſten Artikel des Neformvereins anerkannt. Nein, verwahrt ſich H. F.: Der Reformverein will eine unbeſchränkte, ich aber nur eine beſchränkte Fort­bildung anerkennen. Welches find aber die Schranken, deren Grenzwächter allen anderweiten vorbringendän Reformverſuchen das:bis hierher und nicht weiter zurufen? Einmal iſt es die Fortbildung des Talmuds und das zweite Mal die Fortbil­dung, die ich dem Judenthume zugedacht. Was das letztere betrifft, hat H. F. wirklich Wort gehalten. Im Jannartheft beſchenkt H. F. das Jubenthum zum neuen Jahre mit einer beſchränkten Fortbildung. Da er in demſelben Aufſatz(die Symptome der Zeit) die dentſchen Juden wie die Kinder be­handelt und ffe wegen ihres kindiſchen Leichtſinnes mit der Ruthe in ächt ſchulmeiſterlicher Weiſe derb züchtigt, ſo beſtehen die Geſchenke auch nur in diverſen Bagatellen, eigentlich nur, um ſie wieder zu beruhigen und daß ſie wegen der erhaltenen derben Zurechtwe iſung nicht ein allzugroßes Kindergeſchrei erheben. Wir

*) Ein Beiſpiel hiefür wäre das Raſtren der Ecken des Bartes mit dem Scher­

V meſſer, welches im rabb. Judenthum ſo ſehr verpönt iſt, und welches bisher

bei den Reformverſuchen nicht zur Sprache kam, weil es keinen offenen Conflikt zwiſchen Lehre und Leben verurſacht.