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ſeiner Begriffe eingeſtehen müſſen, daß dem Juden nicht zugemuthet werden könne, alle Vorſchriften, welche in den erſten 7 Abſchnitten des Orach Chajimen thalten find, als Gebote und Vorſchriften des höhern Willens anzuerkennen, deſſen Weisheit und Tiefe unerforſchlich find.— Freilich ſteht ein höherer Wille über unſeren menſchlichen Begriffen und Erkenntniſſen, der uns ewig unerforſchlich bleiben wird; aber das, was diefer höhere Wille von uns fordert, muß doch wenigſtens im Judenihum, das keine unerforſchliche Glaubensmyſterien lehrt, innerhalb der Grenzen unſeres Erkenntnißvermögens liegen, muß doch von uns erkannt und gewollt, muß boch, wenn auch von Außen uns offenbaret, Eigenthum unſeres ſittlichen Selbſtbewußtſeins werden können. Gott hat ja ſeinen höhern Willen nur Menſchen, mit Erkenntniß und Willensfreiheit begabten Weſen, nicht aber den vernunft- und willenloſen Thieren offenbart, und wir müßten doch zur Stufe der Thierheit herabſinken, wenn wir etwas als Gottes Wille hinnehmen und üben wollten, was nach den von Gott uns verliehenen Erkenntniſſen und Begriffen unmöglich Gott gewollt haben kann. Machen wir nun hiervon Anwendung auf die Lehre des rabbiniſchen Judenthums, ſo können wir uns deſſen Vorſchriften und Geboten nicht unterwerfen, weil wir ſie nach unſeren Erkenntniſſen und Begriffen nicht als Gotteslehre, ſondern nur als gemeines Menſchenwerk betrachten müſſen. Der höhere Wille, den wir über uns erkennen, behaupten wir, kann unmöglich dieſes von uns fordern, und wer das Gegentheil behauptet, der muß es uns beweiſen.
Die Reform und ihre formellen Bedingungen.
H. F. hat nicht nur bie RV. hinterher ſcharf getadelt, ſondern auch von vorn herein gründlich belehrt, und weil ſie feine Belehrung nicht beachtet, hat fie die Zurechtweiſung ver= dient. In einem frühern Aufſatz über die projectirte RabbinerVerſammlung(Juniheft S. 98), auf welchen er auch in dieſem Aufſatz S. 292 zurückkommt, belehrte H. F. dieſelbe, wie alle formellen Bedingungen für eine Reform des Judenthums — es ſei denn eine gemäßigte— fehlen.„Man hält, ſagt er daf,,„allgemeine Reformen“ für nicht unausführbar, und meint, daß es hierzu nur des Muthes eines Huß, Luther, Mes lanchthon und Anberer bedürfe. Aber fragen wir weiter, woher die allgemeine Empfänglichkeit für Reformen je kam, ſo Ant