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Die Anwendung der Landesſprache im jüdiſchen Gottesdienſte. ꝛ
Für nothwendig, d. h. für objektiv nothwendig, als den alleinigen Ausdruck des Betens, gab ſie, nämlich die hebräiſche Sprache, Niemand aus. Das geſteht auch H. F. unbedingt zu, und man kann ſich heut zu Tage nur lächerlich machen, wenn man die objektive, d. h. rituelle Nothwendigkeit der hebräiſchen Sprache beim Gebete behaupten wollte, trotz dem, daß vor einem Vierteljahrhundert 40 Rabbiner dieſelbe zu behaupten ſuchten. Allein„für nothwendig dem jüdiſchen Beter“, bes hauptet H. F.,„wird fie erklärt: eine ſubjective Nothwendigkeit? Aber wir haben es hier mit beſtimmten Subjerten, mit den Juden zu thun.“ Aber wie wird dieſe ſubjektive Nothwendigkeit bewieſen?„Wer mit dem Volke fühlt, wer mit ihm lebt und ſeine Andacht theilt, wer im Judenthume ſteht und weiß, was im Herzen vieler Hunderttauſende in und außer ( Deutſchland ſich regt, der begreift, mit welcher Innigkeit, mit welcher Verehrung der Jude an dem hebräiſchen Gebete hängt, welche Fülle ihm der geheiligte Name einſchließt, wie feine Keduſchah ihn mit frommer Andacht belebt.“ Wir wollen für einen Augenblick an der herzenskündigen Allwiſſenheit des H. F. nicht zweifeln und annehmen, er habe mit einem tiefen Blick, den der Allmächtige nur ihm allein verliehen hat, Herz und Nieren der Hunderttauſende jüdiſcher Beter durchſchauet und Alles, wie er; es geſchildert, wirklich in ihrem Innern vorgehe. Allein iſt. hiermit, die faktiſche Wahrheit zugegeben, auch ſchon bewieſen, daß dies Alles eine Folge der hebräiſchen Sprache ſei, daß die Andacht und die Erhebung nothwendig an das Medium der hebräiſchen Sprache geknüpft ſei? Iſt hierdurch die ſubjektive Nothwendigkeit dieſes andachterweckenden Mittels ſchon erwieſen? Iſt es nicht möglich, daß die Andacht noch höher potenzirt wäre, wenn, ſtatt in der hebräiſchen, in einer andern Sprache gebetet würde? Wir behaupten ja nicht, daß nur in einer beſtimmten Sprache die Andacht zu erreichen ſei, ſondern vielmehr, daß jede verſtändliche Sprache gleich ſehr dazu geeignet iſt, und wenn wir der Landesſprache hierin den Vorzug zuerkennen, ſo geſchieht dies nur zu Gunſten ihrer größeren Verſtändlichkeit und deshalb, weil das Gemüth des Betenden, alle ſeine Gedanken, Gefühle und Empfindungen mit dieſer Sprache
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