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Die erste Rabbinerversammlung und Herr Dr. Frankel / von Dr. Sam. Holdheim
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Dürftigkeit an erbauenden Elementen, daß, wenn nicht Abhülfe und Beſſerung bald eintritt, der öffentliche Gottesdienſt aus feinem ſchleichenden Siechthume nur in den ſichern Tod über­gehen muß. Das hat die erſte RV. lebhaft genug gefühlt und die, eine weſentliche Verbeſſerung bezweckenden, Vorſchläge des Präſidenten mit ungetheiltem Beifall aufgenommen. Mag ſich H. F. noch ſo ſehr erregen und begeiſtern für die herkömmliche Liturgie, es wird ihm nicht gelingen, das Volk von ber Wahrheit feiner, Begeiſterung zu überzeugen. Das Volk, ohne gelehrt. zu ſein, fühlt es nur allzudeutlich, daß unſere typiſchen Gebete größtentheils in antiquirten Vorſtelluigen ruhen, die ſeine An­dacht nicht entflammen können, in Vorſtellungen, die der ganzen religiöſen Anſchauungs⸗- und Empfindungsweiſe fremd geworden ſind, und eher das Andachtsgefühl zu ertödten als zu beleben im Stande ſind. Das Volk H. F. mag ſich geberden wie er will, hat keine Sympathien für Jeruſalem , keine Sympa­thien für eine politiſch- nationale Reſtauration, um deren Wiederherſtellung es beten fol, keine Sympathien für einen blutigen oder auch unblutigen Opferdienſt, ohne welchen es nicht ſelig werden kann; keine Sympathien für die heilige Opferſtätte, die verwüſtet iſt, keine Sympathien für die die Gebete durchwehende Anſicht, daß Gott mit dem Volke Sehnſucht fühle, wieder die alte Ruheſtätte einzunehmen und feinen Thron auf Zion zu errichten. Das Volk hat Empfäng­lichkeit für wahre Religion und Andacht, und iſt es Sache der Volkslehrer, dieſe Empfänglichkeit nicht durch fortdauernden Mangel an Befriedigung abzuſtumpfen und dem religiöſen In= differentismus Vorſchub zu leiſten, ſondern mit wahrer from­mer Begeiſterung des Volkes Bedürfniſſe ſich zu Herzen zu nehmen und an dem Wiederaufbau des verfallenen Heiligthums rüſtig zu arbeiten. Das räumen wir H. F. ein, daß wenn der Juhalt unſerer Gebete keine weſentliche Veränderung erleiden, ſondern in's Deutſche überſetzt werden ſollte, wir die erſten fein werden, die dagegen proteſtiren. War ein mangelhaftes Verſtändniß derſelben ſchon hinlänglich, die Scharen der Kirchen gänger zu lichten, ſo wird eine deutſche Uebertragung die Gottes­häuſer gänzlich entoölkern. Allein wir verlangen einen gediegenen Inhalt in köſtlicher Schale. Reine Gebete, von geläuterten Religionsvorſtellungen getragen, ſollen mittelſt der unſerem in­nerſten Weſen verwandten Klänge der vaterländiſchen Sprache auf uns wirken und in uns eine Begeiſterung erwecken, daß wir uns durch ſie allein in der Nähe des himmliſchen Vaters