Heft 
(1956) 12
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behalten, nach dem Eickerhofe gebracht und ist allda gepeinigt worden, worin sie bekannt, daß sie von der Straufenschen drei Geister angenom­men, auch viel Schaden getan, ihrem eigenen Sohn Heinrichen Säue um­bringen lassen, ihrem eigenen Manne auch alte Kuhstricke vor Würste gespeiset und gesagt, wie ofte sie vom Teufel hätte giftige Kröten zur Welt geboren. Worauf sie vier Wochen hernach (17. Dez. 1663) auf der Hexen- mäsche (Schweineweide) ist gebrennet. Der alte Mann hat sich sehr ge- grämet, daß er gestorben. Der Sohn hat Schimpfs halber sich aus Losenrade wegbegeben und drei Jahre nachher ist er nach Wittenberge gezogen. Sonst aber ist ihm von der Caution nichts genommen.

Dieser Hexenwahn wird uns begreiflich, wenn wir die Aufzeichnungen alter Kirchenbücher lesen:

Anno 1561 am 28. Dezembri ist der gantze Himmel die Nacht blutrot gestanden. Etliche vermeinten, es würde eines Feuers Schein sein, aber es war ein Wunderzeichen

Anno 1563 am Tage Pauli Bekehrung ist vom Abend an bis auf den Morgen ein schrecklich Zeichen am Himmel gewesen von Blut und Rauchdampf.

Mit kindlicher Gläubigkeit gab sich der mittelalterliche Mensch dem Wunder hin, aber mit ebenso tiefem Mißtrauen erfüllte ihn die Angst vor allem Bösen, dessen Ursache seiner Erkenntnis verborgen blieb. Gysel van der Lier, der Amtmann zu Lenzen, eilte seiner Zeit weit voraus, indem er im Kirchenbuch zu Lenzen den Vermerk streichen ließ:Saga condamnata et combusta (Die Hexe wurde verurteilt und verbrannt). 1701 räumte der Hallesche Rechtsprofessor Thomasius mit dem Hexenwahn auf, und 1712 trat ihm der englische Schriftsteller Addison zur Seite. 1740 wurde in Preußen die Folter abgeschafft. Damit endeten diese menschenunwürdigen Prozesse und die Mittel einer barbarischen Strafjustiz, welche durch Jahrhunderte über dem gesellschaftlichen Leben lasteten. Die einstigen Richtstätten der Galgenberge (Weinberg, Dallmin, Neuhausen, Marnitz) hallen nur noch in den Flurnamen als ferne Erinnerung nach. Tiefer ist seitdem die Erkenntnis der Menschheit eingedrungen in die realen Zu­sammenhänge der Wirklichkeit, und nichts kann sie mehr von dem Wege abbringen, die Welt aus sachlicherer Wissenschaftlichkeit heraus tiefer zu ergründen.

Quelle: O. Vogel, Perlebergische Geschichten

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