Heft 
(1956) 12
Seite
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HELMUT SEEGER, GLÖWEN

Von Eulen und Käuzen

In früheren Jahrzehnten war es eine weit verbreitete Unsitte, Raubvögel und insbesondere Eulen, an die Scheunentöre zu nageln. Sie sollten Feuers­brünste und Unglücke bannen und als Schutz gegen unerwünschte Raub­vogelbesuche dienen. Und wie viel Schauermären wurden um den nied­lichen, reichlich drosselgroßen Steinkauz, demTotenvogel gesponnen. Zugegeben, die weithin durch das nächtliche Waldesdunkel schallenden Rufe dieser Nachtvögel klingen etwas schauerlich und können einem zag­haften Gemüt schon eine Gänsehaut über den Rücken jagen. Doch mit dem Übermächtigen stehen die nächtlichen Jäger nicht in Verbindung, und über Tod oder Leben können sie schon gar nicht entscheiden, auch dann nicht, wenn ihr Ruf vor dem Fenster eines Krankenzimmers ertönt. Diese Erscheinung findet eine ganz natürliche Erklärung. Alles liegt in tiefer Finsternis, nur im Krankenzimmer wird noch gewacht, brennt noch Licht. Gleich den Insekten wird derTotenvogel vom Lichtschein angelockt und läßt sich'auf einem in der Nähe stehenden Baum oder gar auf dem Fenster­sims nieder. Wenn nun der RufKuii wiiit erschallt, so wird er von Aber­gläubischen alskomm mit gedeutet.

Den Nagern jedoch, den Mäusen, die zu nächtlicher Stunde aus ihren schützenden Löchern gekommen sind, um sich an den Gaben in Feld und Flur zu stärken und hier und dort zu naschen, bedeutet der Ruf Tod und Verderben. Lautlos schwebt der gefiederte Jäger heran und greift mit spitzen Krallen das Mäuschen, das der Hunger die Vorsicht vergessen ließ. Krallen und Schnabel blasen ihm in Sekundenschnelle das Lebenslicht aus.

Die Eulen sind zweckmäßig für ihre nächtliche Lebensweise ausgerüstet. Ihr samtweiches Gefieder gestattet ihnen einen fast lautlosen Flug. Ein ausgezeichnetes Gehör ermöglicht das Auffinden der Beute in der Dunkel­heit. Mit den auffällig großen, nach vorn gerichteten Augen können die Eulen selbst bei schwächsten Lichtverhältnissen noch etwas sehen.

Der größte Vertreter der Eulenfamilie, der Uhu, ist durch die ständige Ver­folgung des Menschen in seinem Bestand arg gefährdet. Es gibt heute in Gesamtdeutschland noch etwa 50 bis 70 Brutpaare, die ausschließlich Felsenbrüter sind und die entlegensten Stellen unserer Mittelgebirge be­siedeln.

Die Waldohreule, die verkleinerte Ausgabe des Uhus, die sich durch ihre aufrecht stehenden Federohren von allen anderen Eulen unterscheidet, können wir dagegen auch bei uns beobachten. Wie erstaunt war ich, als'ich im Vorjahre bei einer Kontrolle der Krähennester eines von einer Wald­ohreule besiedelt fand. Der Nestbaum befand sich nämlich nur 80 Meter

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