Heft 
(1957) 10
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sollte lang sein, und so war in früher Morgenstunde Start. Im Vorbeirollen geht der Blick in den Kranz der Plantagen um Perleberg, zur heidekraut­bewachsenen Kuppe des Weißen Berges, zum lieblichen Stepenitztal bei Kreuzburg, zu den waldumrahmten Karpfenteichen. Wir schauen die alte Runddorfanlage von Retzin und hören hier vom einstigen kleinenHof­theater des Dichters Gustav zu Putlitz.

Kuhsdorf, das stattliche Prignitzer Angerdorf mit dem dicksten Wehr­turm der Heimat ist das erste Ziel. Am Karolinenholz vor dem Dorf ist kurz Halt und Einstimmung. Die bewegte Geschichte von Kuhsdorf, bestimmt im wesentlichen durch die Herrschaft der Quitzows, wird in Episoden lebendig. So in der Gestalt des trinkfreudigen Quitz, der mit seinem Kol­legen in Doberan dachte:Ick bün en Prignitzer Edelmann, wat geiht de Burn mien Supen an!" und seineResidenz von. Kuhsdorf nach Bullen­dorf verlegte, oder in seiner besseren Hälfte, die den Holzselbstversorgern nächtlicherweile mit Pieke und Doggen im Walde auf den Leib rückte! In der Wehrkirche des Dorfes selbst aber ist dann angesichts der fast 3 m dicken Feldsteinmauern des Turmes, in der sich die Treppe nach oben schlängelt, ehrfürchtiges Staunen vor dem mächtigen und trutzigen Werk unserer Väter, die damals selbst noch in Lehmhäusern und Strohdachkaten wohnten. Dieses Werk hat Jahrhunderte überdauert, selbst den Dreißig­jährigen Krieg, in dem ganz Kuhsdorf in Schutt und Asche lag. Wir erfreuen uns auch an der von Perleberger Meisterhänden geschaffenen schönen Barockkanzel und an dem alten Quitzow-Fenster, das mit seinem Buntglas schon um 1300 angefertigt wurde. Ein stilles ehrendes Gedenken gilt dem verdienstvollen Wegbereiter unserer Heimatforschung und dem Heraus­geber derPrignitzer Volksbücher, dem am Ostgiebel der Kirche zur letzten Ruhe beigesetzten Pfarrer Johannes Kopp.

In Pritzwalk lassen letzte Spuren einstiger Stadtbefestigung und un- verheilte Wunden des letzten Kriegsgeschehens uns spüren, wieviel Volks­kräfte gebunden und wieviel Volkswerte vernichtet werden durch Kriege. Die alte Nikolai-Kirche gibt uns in ihrem Äußern, mehr aber noch- in ihrem Innern ein imposantes Beispiel mittelalterlicher Baukunst. Sie er­zählt von dem Feldsteinbau der ursprünglichen Basilika mit Flachdecke um 1250 und der weiteren Wandlung in den Bauperioden bis zur voll­kommensten Gotik. In ihrer heutigen Gestalt gibt sie eine einprägsame Veranschaulichung der Kühnheit und der Schönheit und auch des tiefen Sinnes dieses gotischen Baustiles, besonders in der ragenden Hochführung der Säulen, in dem Sichlösen und -aufteilen der Rippen und dann in dem schließlich im Schlußstein Sichwiederflnden zum gemeinsamen Tragen! Gerade die sich frei offenbarende, nicht vom Putz verdeckte nordische Backsteingotik zeigt hier im Schiff und auch in der angebauten Kapelle die Mannigfaltigkeit und den Zauber der verschiedenen Gewölbearten. DieStifter-Backsteine in den Säulen künden von mittelalterlicher

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