E. BLUM LEIN, WITTENBERGE
FÜNFZIG JAHRE
STADTBIBLIOTHEK WITTENBERGE
Die diesjährige Woche des Buches hatte für die Stadtbibliothek Wittenberge besondere festliche Bedeutung: wir können mit Stolz und Freude auf ein fünfzigjähriges Bestehen unserer Bibliothek blicken. Mit Stolz und Freude besonders deshalb, weil in den vergangenen zehn Jahren aus der unbedeutenden Kleinstadtbibliothek, die eine recht bescheidene Rolle in unserer Industriestadt spielte, eine Kulturstätte wurde, die von Jahr zu Jahr vergrößert und verbessert und von unseren Werktätigen rege in Anspuch genommen wird.
Leider wurde 1945, kurz vor Einmarsch der Roten Armee, auf Befehl des damaligen Oberbürgermeisters alles Aktenmaterial des Archivs des Rathauses verbrannt, so daß wir uns bei der Betrachtung der Geschichte unserer Stadtbibliothek im wesentlichen auf mündliche Überlieferungen stützen müssen. Frau Albrecht, die langjährige Betreuerin der Bibliothek stellte uns freundlicherweise ihr Wissen zur Verfügung.
Wie aus einem Bericht des Kreisschulinspektors Crusius vom 31. Oktober 1908. hervorging, war die Wittenberger Stadtbibliothek in den Räumen der damaligen Bürgerschule II untergebracht und stand unter der Aufsicht des Rektors Draeger, der sich sehr für die Belange der kleinen Bibliothek einsetzte. Der Buchbestand betrug etwa 300 Bände. In den Haushaltsplänen der Jahre 1907 und 1908 lassen sich keine Mittel für die Stadtbibliothek nachweisen, im wesentlichen verdankt die Bibliothek ihr Bestehen und Anwachsen der Initiative und dem Protektorat des schon erwähnten Rektors Draeger und später der Unterstützung des Direktors Traugott, der die Stadtbibliothek mit dem Bestand der Lehrerbibliothek vereinigte, so daß 1918 der Bestand auf 1000 Bände angewachsen war. Die Bibliothek wurde von allen Schichten der Bevölkerung rege benutzt; sie war freilich* wie es nicht anders zu erwarten war, nach liberalistischem Prinzip aufgebaut und diente vor allem bürgerlichen Erziehungsidealen. Von einer großzügigen Unterstützung durch den Magistrat konnte noch keine Rede sein, es mußte vielmehr um jede Neuanschaffung gekämpft
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