Heft 
(1957) 10
Seite
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die Zunge herausgesteckt bekommen! (In Wirklichkeit gilt diese Gefühls­äußerung natürlich nicht uns, sondern einem Gegner von damals. Vielleicht hier gar dem gegenüberliegenden Rathaus, in dem ein hoher Rat residiert. Damals stand die exklusive und privilegierte Kaste der Ratsherrn vielfach auf Kriegsfuß mit dem aufstrebenden und unternehmungslustigen Bürger­tum. In einer solchenNeidmaske fand dann dieses gespannte Verhältnis oft ihren Ausdruck.)

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So freuen wir uns also, wie gesagt, über all das, was uns solch ein inter­essanter Spruchbalken oft zu sagen hat. Wir freuen uns aber nicht, wenn solch ein ehrwürdiger Hausbalken, dazu noch einer, der aus der Stadt­geschichte aussagt und darum historisch besonders wertvoll ist, von einem Anstreicher einfach lieblos und völlig monoton übergepinselt wird. Uber­gepinselt in genau der gleichen Farbe, mit der die ganze Fassade gestrichen wurde. Und dazu noch die eine Hälfte im helleren und die andere im dunkleren Ton, nur weil für die eine Hälfte der Fassade die HO, für die andere aber der Konsum der Auftraggeber war.

Da, wie gesagt, freuen wir uns nicht. Da wendet sich der Gast mit Grausen.

Diese Nichtachtungnationalen Kulturerbes, die aller Denkmalpflege und aller immer wieder erstrebten Stadtverschönerung ins Gesicht schlägt, ist geschehen im Jahre 1957 in der alten Kreis- und Hauptstadt der Prignitz, in Perleberg. Sie mutet fast wie ein Schildbürgerstreich an. Zu besichtigen ist sie am Eckhaus Post-, Heiligegeiststraße.

Vielleicht genügt dieser Hinweis, daß das Geschehene, das vielfach Ärgernis erregt hat, abgeändert wird. Mit ein bißchen Liebe und mit ein wenig Farbe ließe es sich tun. Alle Heimatfreunde, vornehmlich die Bürger und Gäste unserer Stadt, würden sich freuen.

Es wird in der Finanzplanung unserer volkseigenen Verkaufsbetriebe auch für derlei Dinge ein geeigneter Etatstitel aufzufinden sein. Und es sollten HO und Konsum auch in solchen Sachen unter einen Hut kommen. Denn es ist eine Selbstverständlichkeit, daß man das Antlitz eines Giebelhauses nicht durch unterschiedlichen Anstrich in zwei Hälften zerschneidet. Wobei in diesem Falle der völlig ungestrichen und ganz ungepflegt gebliebene Oberteil noch zusätzlich bewirkt, daß die geschlossene Einheit der Haus-

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