Ein „Gericht“ auf dem Felde, weit ab von menschlichen Behausungen? Kann einem nicht allein schon bei dem Wort „Gericht“ ein gruseliges Schauern durchrieseln? Um wieviel mehr, wenn man an die vielen Hexenprozesse und überhaupt an die Gerichtsbarkeit, an die Hinrichtungen und das Zutodequälen der nach dem Römischen Recht abgeurteilten „armen Sünder“ der früheren Jahrhunderte denkt. Solche Empfindungen bestätigt auch der Rohrlacker Chronist, wenn er darüber folgendes schreibt: „Was in einzelnen sich im Ablauf der Jahrhunderte bei diesem „Gericht“ abgespielt hat an menschlichen Tragödien, gerechten und ungerechten Urteilen einer sehr harten Rechtsprechung; was bittere Tränen weinend und herz- zerrissen, vom „Gericht“ wieder nach Hause ging, das ist uns heute nur schwer zurückzurufen.“ Wir wissen heute nicht mehr viel über die Einzelheiten, aber einiges konnte uns im Volksmund durch die Überlieferung von Generation zu Generation doch erhalten bleiben. Und wenn man bei alten Leuten in Nackel umfragt, was ihnen über das Gericht bekannt ist, dann werden sie eine grausige Geschichte erzählen, die Geschichte von einer Zigeunerin namens Vürig, die ihr neugeborenes uneheliches Kind erdrosselte und es den Schweinen des Sattlermeisters Bänker auf dem Gutshof in Nackel zum Fräße vorwarf und die alsdann zur Strafe für diese unmenschliche Tat auf der Gerichtsstelle von zwei Joch Ochsen auseinandergerissen wurde. Andere wollen nun wieder wissen, und zwar so, wie es ihnen die Großmutter erzählte, daß die Kindesmörderin nicht eine Zigeunerin, sondern eine adelige Dame gewesen sein soll. Ob diese Geschichte auf Wahrheit beruht oder ob es sich hierbei um eine Entstellung des nachfolgend geschilderten Falles handelt, ist nicht mehr nachweisbar. Akten und Hinweise für die Hinrichtung der Zigeunerin oder der adeligen Dame und auch solche aus noch früheren Zeiten sind heute nicht mehr aufzufinden.
Dagegen hinterließ uns das Nackeier Kirchenbuch eine Eintragung aus dem Jahre 1740, die vom damaligen Pfarrer Valentin Schneckenburger, der von 1699 bis 1749 in Nackel amtierte, vollzogen wurde. Er schrieb hierzu: „Über dies hat dies arme Dorf das Unglück gehabt in diesem Jahre, daß ein Mädchen Dorthe Lisbeth Mücke, eines Soldaten Tochter, die hier bei dem Durchmarsch ihrer Eltern war geboren, aber in Kyritz getauft ist, von dem Adolph Hohn zu Neuendorf, hier geschwängert in den Dienst der hiesigen Tit. Frl. v. Lüderitzen gekommen, welche dann leider ihr heimlich gebohrenes Kind mit etliche mahl um den Halß zugezogenen Schnur selbst als eine rechte Raben Mutter umgebracht, welches aber der gerechte Gott so fort des andern Tages früh ließ kund werden, drauf sie ihren gebührenden Lohn empfangen, daß, weil hier kein sonderlich (tiefes) Waßer (vorhanden) ist, sie enthauptet, der nackte Leib auf dem Rade geleget und das Haupt oben auf genagelt wurde. Sie ging freudig zu Tode und schiene sich sehr wohl dazu bereitet haben. Der Mord ist geschehen, den 28ten Mart
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