Heft 
(1958) 2
Seite
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(März) des Abends, die execution (Hinrichtung) wurde vollzogen den 28. Jun.

An sich wurden Kindesmörderinnen zur damaligen Zeit nach der Blut- und Halsgerichtsordnung ertränkt. Da sich jedoch in oder in der Nähe von Nackel kein so tiefes Wasser befand, hatte man die geschilderte Hin­richtung, das Rädern, vorgezogen. Das Urteil selbst, das vom König be­stätigt sein mußte, fällte das Patrimonialgericht (örtliches Gutsgericht), den Vollzug dagegen führte der Wüsterhausener Scharfrichter mit seinen Knechten durch. Es mag eines der letzten Urteile dieser Art gewesen sein, denn im Jahre 1747 wurde den Ortsgerichtendas Blutgericht entzogen und die Strafgerichtsbarkeit neu geordnet, auch die Zahl der Todesstrafen wurde verringert, und die Folterungen wurden abgeschafft.

Dieses im Nackeier Kirchenbuch erwähnte Todesurteil wie auch die son­stigen Hinrichtungen vollstreckte man damals unter Hinzuziehung der Oeffentliehkeit. Alt und jung strömte aus der näheren und weiteren Um­gebung herbei, um sich eine solche sensationelle Begebenheit nicht ent­gehen zu lassen. Daß hierbei der Aberglaube eine große und besondere Rolle spielte, dürfte deswegen auch nicht verwundern. So stürzten sich z. B., sobald das Urteil an dem Deliquenten auf dem Blutgerüst vollzogen war, Abergläubische vor, um das heruntertropfende Blut mit Tüchern aufzufangen. Es sollte als Heilmittel für verschiedene Krankheiten Ver­wendung finden. Auch versuchte man Teile des Strickes, mit dem die Ver­urteilten gebunden waren, zu erhaschen. Dieser Strick galt als Schutz­mittel gegen Zauberei.

Durch einen sensationellen Bericht des Zeitungsreporters eines Berliner Blattes um die Jahrhundertwende, in dem mit Ungenauigkeit, fantasie­entstellten Namen und Todesumständen eine Hinrichtung vor den Augen der Tochter des Gutsherrn von Lüderitz, die unverheiratet im Jungfern­haus des Rittergutes am Ende des Dorfes wohnte, geschildert wurde, kamen Zweifel auf, obdas Gericht zu dieser Zeit noch die Hinrichtungs- oder nur die Begräbnisstelle für Gerichtete und Selbstmörder sein konnte. Daß auch Selbstmörder hier am Gericht, also möglichst weit entfernt vom Dorf, ihre letzte Ruhe fanden, steht fest, denn das Nackeier Kirchenbuch bringt in Fortsetzung des vorhin Gesagten aus dem gleichen Jahr 1740 eine weitere Eintragung:Doch dies Unglück blieb nicht allein (gemeint ist der Fall Mücke), sondern es erfolgte noch ein anderes, daß nemlich Andres Bruhne seine Frau Margret Sophie Wagener sich auf der Absiß (Abseite) an ihrem Hause den 25. Aug. des morgens etwa zwischen 7 und 8 Uhr selbst erhenkt. Sie gerieth fast schon vor der Hochzeit in schwermütige Gedanken, weil wegen des harten und langen Winters alles anfing knap zu werden. Es wurde an ihr mit geist- und leiblichen Mitteln gearbeitet, sie auch an der Kette gelegen, alles Unheil zu verhüten, doch dann und wann nach Befinden ihres Zustandes wieder loßgemacht. Am bemeldeten Tage

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