Ein Heimatspiel
Wir hatten zunächst die Absicht, aus jedem der Heimatspieie von Will Anders eine bedeutsame Szene zu veröffentlichen. Da jedoch zahlreiche Anfragen von Interessenten und Bibliotheken aus der Prignitz, aber auch aus Frankfurt, Leipzig, Hamburg, Hessen und Heidelberg eingingen, haben wir uns entschlossen, das Schulze-Kersten-Drama „Saat des Sturmes“ in Fortsetzungen zu veröffentlichen.
Die Aufführung dieses Stückes hat eine lebhafte Diskussion ausgelöst. Die Berichterstattung der Presse war widerspruchsvoll und zum Teil fehlerhaft. Durch Streichungen wurde in einigen Berichten die Meinung der Berichterstatter ungenau wiedergegeben. Tatsache ist, daß das Stück weder einen dramatischen Konflikt, noch einen, die Handlung wesentlich beeinflussenden, positiven Helden enthält. Beides ist in den Ereignissen, die sich 1807 in Kyritz abspielten und die wir in dem Artikel: „Die Franzosen in Kyritz“ in den Heften 4—6/1957 schilderten, nicht enthalten. Der Verfasser des Spieles hätte also die Ereignisse, wie auch die Personen und ihre Beziehungen zueinander wesentlich anders schildern müssen, als es den Tatsachen entspräche. Das ist zwar bei Bühnenwerken üblich (Egmont, Jungfrau von Orleans), bei „Saat des Sturmes“ kam es dem Verfasser jedoch weniger darauf an, ein allen Regeln der Dramaturgie entsprechendes Bühnenwerk zu schaffen, als eine geschichtliche Episode möglichst wahrheitsgemäß zu schildern. So wurden lediglich die Figuren des Majors v. Bärwald und der Tanten Minchen und Linchen, jener als Vertreter des überheblichen preußischen Adels, diese als Vertreterinnen des bigotten Bürgertums, sowie die des Studenten Alexander als Träger der Ideen eines Fichte, Stein, Arndt u. a. und späterer Freiheitskämpfer hinzugefügt. Der Hinweis, Alexander habe im Stück zu wenig Aktion, ist formal richtig, man möge aber bedenken, daß 1807 in Brandenburg noch kein wesentlicher Widerstand gegen Napoleon möglich war. Erst nach der klugen und heldenhaften Vorarbeit fortschrittlicher Männer wie Schill, Scharnhorst, Gneisenau usw. und nach den Niederlagen, die die Völker Rußlands dem Korsen beibrachten, konnte sich das preußische Volk erheben. Wie das in der Prignitz geschah, sollte in einem weiteren Spiel, in dessen Mittelpunkt Alexander stehen könnte, geschildert werden.
Gerade die Blindheit Kerstens und Schulzes gegenüber den Ereignissen und das Bemühen des Magistrats, allen Forderungen der Besatzungsmacht nachzukommen, um jede Unannehmlichkeit von sich und der Stadt abzuwenden, sind bezeichnend für das Kleinbürgertum, damals wie heute. Es gibt keine Unparteilichkeit, wenn Kriegstreiber rüsten und dein Volk angreifen. Sei ein Kämpfer gegen sie, bevor sie die Welt in Brand stecken, der Krieg vernichtet auch die, die da meinen, „neutral“ bleiben zu können oder „sich an nichts beteiligt zu haben“. Das ist es, was uns der Tod jener beiden Kyritzer zeigte und was der Verfasser in dramatischer Form schildern wollte.
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