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Gesellschaft für deutsche Vorgeschichte, 22. Oktober 1916.
Hochverehrte Frau Abtissin!
Ich war bei Beginn des Wintersemesters gerade dabei, die zahlreichen Lücken zu überdenken, die der Trieb und der Ruf an die Front in die kleine Gemeine meiner näheren Schüler gerissen hat und tröstete mich in dem Gedanken, daß der Friede dereinst die meisten zur Wissenschaft zurückbringen würde. Da erhielt ich Ihre Trauerbotschaft.
Das ist nun der vierte meiner jetzigen Schüler, den ich auf immer verloren habe. Ich wurde wiederum tief erschüttert über die Unerbittlichkeit, mit der der Tod in meiner Gemeine Auslese hält. Und immer gerade diejenigen trifft das schwarze Los, die ich mit besonderer Sorgfalt in meinem Fache zu fördern bestrebt war, weil ich von ihnen bedeutende Leistungen für meine Wissenschaft dereinst zu erhoffen berechtigt war.
Vor vier Wochen noch erhielt ich von ihm eine Grußkarte und ich denke jetzt mit Wehmut daran zurück, wie rein feine Freude war, als er bald nach Neujahr unseren schön geschmückten Weihnachtsbaum nicht genug bewundern konnte: es sollte für ihn der letzte Anblick eines solchen sein.
Ich bin untröstlich über das, was die Wissenschaft der Vorgeschichte, insonderheit die märkische, in Paul Quente verloren hat. Ratlos frage ich mich nach einem Ersatz und Nachfolger für diese Tatkraft und finde keine Antwort. Und wie muß erst Ihnen, hochverehrte Frau Abtissin, dieser Schlag das Herz getroffen haben, wo Sie soviel Liebe auf Ihren Pslegesohn gehäuft und ebensoviel Verehrung für alle Zeiten bei ihm sich gesichert hatten. Ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß Ihre starke Natur auch diesen Schicksalsschlag überwinden wird.
Sobald Sie die Stimmung dazu gewonnen haben, bitte ich Sie, mir eine Lebensskizze des im Heldentode Verblichenen nebst einer guten Photographie seiner Person, am liebsten einer solchen, die ihn in seiner Ausgrabetätigkeit zeigt (falls es eine gute derartige gibt), gütigst übermitteln zu wollen. Ich will ihm dann danach im nächsten Mannushefte eine Gedächtnisrune schnitzen.
Und weiter denke ich an seine große Bronzezeit-Abhandlung, bei der ich ihn oft und gern unterstützt habe und die er von Anfang an und auch zuletzt noch beim Abschiede für den Mannus bestimmt hatte. Es wird mir eine Freude sein, diese seine letztvollendete Arbeit in bewegtem Gedanken an meinen jungen Freund zu seinen Ehren an die Oeffentlichkeit zu bringen.
Im Kreise meiner Schüler und Anhänger und in der Gesellschaft für Deutsche Vorgeschichte wird Paul Ouentes Andenken weiter leben.
In inniger Teilnahme, auch von seiten meiner Frau, und in herzlicher Verehrung
G. Kossinna.
Falkenhain bei Wurzen, den 28. Oktober 1916.
Hochverehrte Frau Abtissin!
Die Nachricht, daß mein ehemaliger Schüler Maler Paul Quente auf dem Felde der Ehre gefallen ist, hat mich hier aus der Herbst-Exkursion des Landschafts-Ateliers getroffen und mich schmerzlich berührt, sowohl um des talentvollen Künstlers als auch um Ihretwillen, hochverehrte gnädige Frau!
Weiß ich doch wie der Gefallene Ihnen ans Herz gewachsen war und wie eng er mit Heiligengrabe verwachsen war! Nicht nur die Kunst verliert an ihm ein vielversprechendes Talent und ideal angelegten Maler, sondern auch die Archäologie, in der auch wir uns zusammen fanden, hat den Verlust eines eifrigen und unermüdlichen Mitarbeiters an ihm zu beklagen. Er ist unter meinen zahllosen ehemaligen und jetzigen Schülern, die mir persönlich näher standen, der Erste dessen Tod ich erfahre, während von Sonstigen doch schon