Heft 
(1897) 08
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Uelier Land

zu und sprach ihm ihre Freude aus, daß er ge­kommen; auch Melusine werde gewiß bald da sein; sie habe noch zuletzt gesagt:Du sollst sehen, heute kommt Stechlin." Danach wandte sich die junge Comtesse wieder Wrschowitz Zu, der sich eben in das von Hubert Herkomer gemalte Bild der verstorbenen Gräfin vertieft zu haben schien, und sagte, während sie gegenseitig vorstellte:Doktor Wrschowitz, Ritt­meister von Stechlin." Woldemar, seiner Instruktion eingedenk, verbeugte sich sehr artig, wahrend Wrscho­witz, ziemlich ablehnend, seinem Gesicht den stolzen Doppelausdruck von Künstler und Hussiten gab.

Der alte Graf hatte mittlerweile Platz genommen, entschuldigte sich, mit der unglücklichen Stellage be­schwerlich fallen zu müssen, und bat die beiden Herren, sich neben ihm niederzulassen, während Armgard, dem Vater gegenüber, an der andern Schmalseite des Tisches saß. Der alte Gras nahm seine Tasse Thee, schob den Cognae,des Thees bestreu Teil", mit einem humoristischen Seufzer beiseit und sagte, während er sich links zu Wrschowitz wandte:Wenn ich recht gehört habe so ein bißchen von musika­lischem Ohr ist mir geblieben, so war es Chopin, was Armgard zu Beginn der Stunde spielte..."

Wrschowitz verneigte sich.

Chopin, für den ich eine Vorliebe habe, wie > für alle Polen, vorausgesetzt, daß sie Musikanten oder Dichter oder auch Wissenschaftsmenschen sind. Als Politiker kann ich mich mit ihnen nicht be­freunden. Aber vielleicht nur deshalb nicht, weil ich Deutscher und sogar Preuße bin."

Sehr warr, sehr warr," sagte Wrschowitz, mehr gesinnnngstüchtig als artig.

Ich darf sagen, daß ich für polnische Musiker, von meinen frühesten Lieutenantstagen an, eine schwärmerische Vorliebe gehabt habe. Da gab es beispielsweis eine Polonaise von Oginski, die da­mals so regelmäßig und mit so viel Passion gespielt wurde, wie später der Erlkönig oder die Glocken von Speyer. Es war auch die Zeit vom ,Alten Feld­herrn' und von ,Denkst du daran, mein tapferer Lagienka'."

Jawohl, Herr Grast, eine schlechte Zeit, eine sentimentale Zeit. Und warr mir immerdarr eine besondere Lust zu sehen, wie das Sentimentale wieder fällt. Immer merr, immer nierr. Ich hasse das Sentimentale cko tont inon oceur."

Worin ich," sagte Woldemar,Herrn Doktor Wrschowitz durchaus zustimme. Wir haben in der Poesie genau dasselbe. Da gab es früher ebenfalls dergleichen, und ich bekenne, daß ich als Knabe für solche Sentimentalitäten geschwärmt habe. Meine besondere Schwärmerei war ,König Neues Tochter', von, wenn ich nicht irre, einem gewissen Henrik Hertz, einem jungen Kopenhagener..."

Wrschowitz verfärbte sich, was Woldemar, als er es wahrnahm, zu sofortigem raschen Einlenken bestimmte.. . . König Nenes Tochter, ein lyrisches Drama. Aber, Gott sei Dank, schon seit lange wieder vergessen. Wir stehen jetzt im Zeichen von Tolstoj und der Kreuzersonate."

Sehr warr, sehr warr," sagte der rasch wieder

und Meer.

beruhigte Wrschowitz und nahm nur noch Veranlassung, energisch gegen die Mischung von Kunst und Sektierer­tum zu protestieren.

Woldemar, großer Tolstojschwärmer, worin er sich durch Lorenzen geführt und unterstützt sah, wollte für den russischen Grafen eine Lanze brechen, aber Armgard, die, wenn derartige Themata berührt wur­den, der Salonsähigkeit ihres Freundes Wrschowitz arg mißtraute, war sofort aufrichtig bemüht, das Ge­spräch aus harmlosere Gebiete hinüberzuspielen. Als ein solches friedeverheißendes Gebiet erschien ihr in diesem Augenblicke ganz eminent die Grafschaft Ruppin, aus deren abgelegenster Nordostecke Woldemar eben wieder eingetroffen war, und so sprach sie denn gegen diesen den Wunsch aus, ihn über seine jüngste Reise Bericht erstatten zu sehen.Ich weiß wohl, daß ich meiner Schwester Melusine, die voll Neugier und Verlangen ist, auch davon zu hören, einen schlechten Dienst damit leiste; Herr von Stechlin wird es aber nicht verschmähen, wenn meine Schwester wieder da ist, darauf zurückzukommen. Es braucht ja, wenn man plaudert, nicht alles absolut neu zu sein. Alan darf sich wiederholen. Papa hat auch einzelnes, das er öfter erzählt."

Meine Tochter Armgard," lachte der alte Graf, sagt .einzelnes', sie meint aber wieles'."

Nein, Papa, ich meine einzelnes. Da giebt es denn doch ganz andre, zum Beispiel unser gnrer Baron. Und die Baronin sieht auch immer weg, wenn er anfängt. Aber lassen wir den Baron und seine Geschichten, und hören wir lieber von Herrn von Stechlins Ausfluge. Doktor Wrschowitz teilt gewiß meinen Geschmack."

Teile vollkommen. Mark Brandenburg wen­disches Vorland, Vorland gegen skandinavisches Nordland."

Also, Herr von Stechlin," fuhr Armgard fort. Sie haben nach diesen Erklärungen unsers Freundes Wrschowitz einen freundlichen Zuhörer mehr, vielleicht' sogar einen begeisterten. Auch für Papa möcht' ich mich verbürgen. Wir sind ja eigentlich selber mär­kisch oder doch beinah' und wissen trotzdem so wenig davon, weil wir immer draußen waren. Ich kenne wohl Saatwinkel und den Grunewald, aber das eigentliche brandenburgische Land, das ist doch etwas andres. Es soll alles so romantisch sein und so melancholisch, Sand und Sumpf und im Wasser ein paar Binsen oder eine Birke, dran das Laub zittert. Ist Ihre Ruppiner Gegend auch so?"

Nein, Comtesse, wir haben viel Wald und See, die sogenannte mecklenburgische Seenplatte."

Nun, das ist auch gut. Mecklenburg, wie mir die Berchtesgadens erst neulich versichert haben, hat auch seine Romantik."

Sehr warr. Habe gelesen Stromtid und habe gelesen Franzosentid..."

Und dann glaub' ich auch Zu wissen," fuhr Armgard fort,daß Sie Rheinsberg ganz in der Nähe haben. Ist es richtig, und kennen Sie's? Es soll so viel Interessantes bieten. Ich erinnere mich seiner aus meinen Kindertagen her, trotzdem wir damals in London lebten. Oder vielleicht auch gerade deshalb.