Heft 
(1897) 08
Seite
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flieber Land und Meer.

verbrannt habe. Sieh, das. ist das, worauf es an­kommt, Mittelznstand, darauf baut sich das Glück auf. Und dann haben wir hier noch zweierlei: in unserer Bevölkerung die reine Lehre und in unserm Adel das reine Blut. Die, wo das nicht zutrifft, die kennt man. Einige meinen freilich, das, was sie das ,Geistige' nennen, das litte darunter. Das ist aber alles Thorheit. Und wenn es litte (es leidet aber nicht), so schadet das gar nichts. Wenn das Herz gesund ist, ist der Kopf nie ganz schlecht. Auf diesen Satz kannst Du Dich verlassen. Und so bleibe denn, wenn Du suchst, in unsrer Mark und vergiß nie, daß wir das sind, was man so .branden- burgische Geschichte' nennt. Am eindringlichsten aber laß Dir unsre Rheinsberger Gegend empfohlen sein, von der mir selbst Koseleger trotzdem seine Feinde behaupten, er betrachte sich hier bloß wie in Ver­bannung und sehne sich fort nach einer Berliner Domstelle von der mir selbst Koseleger sagte: ,Wenn man sich die preußische Geschichte genau an­sieht, so findet man immer, daß sich alles auf unsre alte, liebe Grafschaft zurückführen läßt;da liegen die Wurzeln unsrer Kraft.' Und so schließe ich denn mit der Bitte: heirate heimisch und heirate lutherisch. Und nicht nach Geld (Geld erniedrigt), und halte Dich dabei versichert der Liebe Deiner Dich herzlich liebenden Tante und Patin Adelheid von St."

Woldemar lachte.Heirate heimisch und heirate lutherisch das hör' ich nun schon seit Jahren. Und auch das dritte höre ich immer wieder: ,Geld erniedrigt'. Aber das kenn' ich. Wenn's nur recht viel ist, kann es schließlich auch eine Chinesin sein. In der Mark ist alles Geldfrage. Geld weil keins da ist spricht Person und Sache heilig und, was noch mehr sagen will, befriedigt zuletzt auch den Eigensinn einer alten Tante."

Während er lachend so vor sich hin sprach, über­flog er noch einmal den Brief und sah jetzt, daß eine Nachschrift an den Rand der vierten Seite ge­kritzelt war.Eben war Katzler hier, der mir von der am Sonnabend in unserm Kreise stattfindenden Nachwahl erzählte. Dein Vater ist aufgestellt worden und hat auch angenommen. Er bleibt doch immer der alte. Gewiß wird er sich einbilden, ein Opfer zu bringen, er litt von Jugend auf an solchen Einbildungen. Aber was ihn: ein Opfer bedünkte, waren, bei Lichte besehen, immer bloß Eitelkeiten. Deine A. von St."

XVII.

Es war so, wie die Tante geschrieben: Dnbslaw hatte sich als konservativen Kandidaten ausstellen lassen, und wenn für Woldemar noch Zweifel darüber ge­wesen wären, so hätten einige am Tage daraus von Lorenzen eintreffende Zeilen diese Zweifel beseitigt. Es hieß in Lorenzens Brief:

Seit Deinem letzten Besuch hat sich hier allerlei Großes zugetragen. Noch am selben Abend erschienen Gundermann und Koseleger und drangen in Deinen Vater, zu kandidieren. Er lehnte zunächst natürlich ab; er sei weltfremd und verstehe nichts davon. Aber damit kam er nicht weit. Koseleger, der was ihm auch später noch von Nutzen sein wird immer

ein paar Anekdoten aus der Pfanne hat, erzählte ihm sofort, daß vor Jahren, als ein von Bismarck zum Finanzminister Ausersehener sich in gleicher Weise mit einem .Ich verstehe nichts davon, Durchlaucht' aus der Affaire habe ziehen wollen, er einfach der bis- marckisch-prompten Antwort begegnet sei: ,Darum wähle ich Sie ja gerade, mein Lieber,' eine Ge­schichte, der Dein Vater natürlich nicht widerstehen konnte. Kurzum, er hat eingewilligt. Von Herum­reisen ist selbstverständlich Abstand genommen worden, ebenso vom Redenhalten. Schon nächsten Sonn­abend haben wir Wahl. In Rheinsberg, wie immer, fallen die Würfel. Ich glaube, daß er siegt. Nur die Fortschrittler können in Betracht kommen und allenfalls die Sozialdemokraten, wenn vom Fort­schritt (was leicht möglich ist) einiges abbröckelt. Unter allen Umständen schreibe Deinem Papa, daß Du Dich seines Entschlusses freutest. Du kannst es mit gutem Gewissen. Bringen wir ihn durch, so weiß ich, daß kein Besserer im Reichstag sitzt, und daß wir uns alle zu seiner Wahl gratulieren können. Er sich persönlich allerdings auch. Denn sein Leben hier ist zu einsam, so sehr, daß er, was doch sonst nicht seine Sache ist, mitunter darüber klagt. Das war das, was ich Dich wissen lassen mußte. .Sonst nichts Neues vor Paris.' Krippenstapel geht in großer Aufregung einher; ich glaube, wegen unsrer auf Donnerstag in Stechlin selbst angesetzten Vor­versammlung, wo er mutmaßlich seine herkömmliche Rede über den Bienenstaat halten wird. Empfiehl mich Deinen zwei liebenswürdigen Freunden, besonders Czako. Wie immer, Dein alter Freund Lorenzen."

Woldemar, als er gelesen, wußte nicht recht, wie er sich dazu stellen sollte. Was Lorenzen da schrieb,daß kein Besserer im Hause sitzen würde", war richtig; aber er hatte trotzdem Bedenken und Sorge. Der Alte war durchaus kein Politiker, er konnte sich also stark in die Nesseln setzen, ja viel­leicht zur komischen Figur werden. Und dieser Ge­danke war ihm, dem Sohne, der den Vater schwär­merisch liebte, sehr schmerzlich. Außerdem blieb doch auch immer noch die Möglichkeit, daß er in dem Wahlkamps unterlag.

Diese Bedenken Woldemars waren nur allzu berechtigt. Es stand durchaus nicht fest, daß der alte Dnbslaw, so beliebt er selbst bei den Geg­nern war, als Sieger aus der Wahlschlacht hervor­gehen müsse. Die Konservativen hatten sich freilich daran gewöhnt, Nheinsberg-Wutz als eineHoch­burg" anzusehen, die der staatserhaltenden Partei nicht verloren gehen könne, diese Vorstellung aber war ein Irrtum, und die bisherige Reverenz gegen den alten Kortschädel wurzelte lediglich in etwas Persönlichem. Nun war ihm Dubslaw an Ansehen und Beliebtheit freilich ebenbürtig, aber das mit der ewigen persönlichen Rücksichtnahme mußte doch mal ein Ende nehmen, und das Anrecht, das sich der alte Kortschädel ersessen hatte, mit diesem mußt' es vorbei sein, eben weil sich's um einen Neuen handelte. Kein Zweifel, die gegnerischen Parteien regten sich , und es lag genau so, wie