Heft 
(1897) 08
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Ueöer Land und Weer.

Und wirklich, sie reichten sich in heiterer Feierlich­keit die Hände.

Gleich danach aber traten die beiden alten Herren an die Gruppe heran, und der Baron sagte:Das ist ja wie Rütli."

Mehr, mehr. Bah, Frei­heit! Was ist Freiheit gegen Liebe!"

So, hat's lobung gegeben?

Nein. . . noch nicht," lachte Melusine.

XVI.

Der andre Morgen rief Woldemar zeitig zum Dienst.

Als er um neun Uhr auf sein Zimmer zurückkehrte, fand er aus dem Frühstückstisch Zeitungen und Briefe. Darunter war einer mit einem ziemlich großen Siegel, der Lack schlecht und der Brief über­haupt von sehr unmodischer Er­scheinung, ein bloß zusammen­gelegter Quartbogen. Woldemar, nach Poststempel und Handschrift sehr wohl wissend, woher und von wem der Brief kam, schob ihn, während Fritz den Thee brachte, beiseite, und erst als er eine Tasse genommen und länger als nötig dabei verweilt hatte, griff er wieder nach dem Brief und drehte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger.Ich hätte mir, nach dem gestrigen Abend, heute früh etwas andres gewünscht." Und während er das so vor sich hin sprach, standen ihm die letzten Wutzer Augenblicke wieder vor der Seele. Die Tante hatte, kurz bevor er das Kloster verließ, noch einmal vertraulich seine Hand ge­nommen und ihm bei der Ge­legenheit ausgesprochen, was sie seit lange bedrückte.

Das Junggesellenleben, Wol­demar, taugt nichts. Dein Vater war auch schon zu alt, als er sich verheiratete. Ich will nicht in deine Geheimnisse eindringen, aber ich möchte doch fragen dürfen: wie stehst du dazu?"

Nun, ein Anfang ist gemacht.

Aber doch erst obenhin."

Berlinerin?"

Ja und nein. Die junge Dame lebt seit einer Reihe von Jahren in Berlin und liebt unsre Stadt über Er­warten. Insoweit ist sie Berlinerin. Aber eigent­lich ist sie doch keine; sie wurde drüben in London geboren, und ihre Mutter war eine Schweizerin."

Um Gottes willen!"

Ich glaube, liebe Tante, du machst dir falsche Vorstellungen von einer Schweizerin. Du denkst

sie dir auf einer Alm und mit einem Milch­kübel."

Ich denke sie mir gar nicht, Woldemar. Ich weiß nur, daß es ein wildes Land ist."

denn eine Ver-

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Line neue Welt.

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Stechlin.

Ein freies Land, liebe Tante."

Ja das kennt man. Und wenn du das Spiel einigermaßen in der Hand hast, so beschwör' ich dich..."

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'N C. v. Bergen.

An dieser Stelle war das Gespräch mit der Tante, weil eine Störung kam, auf andre Dinge hingeleitet worden, und nun hielt er ihren Brief in Händen und Zögerte, das Siegel zu brechen.Ich

weiß, was drin steht, und ängstige mich doch beinahe. Wenn es nicht Kämpfe giebt, so giebt es wenigstens Verstimmungen. Und die sind mir wo möglich noch fataler. . . Aber was Hilst es!"

_ _ Und nun brach er den Brief

auf und las:

Ich nehme an, mein lieber Woldemar, daß Du meine letzten Worte noch in Erinnerung hast. Sie Uesen aus den Rat und die Bitte hinaus: gieb auch in dieser Frage die Heimat nicht auf, halte dich, wenn es sein kann, an das Nächste. Schon unsre Provinzen sind so sehr verschieden. Ich sehe Dich über solche Worte lächeln, aber ich bleibe doch dabei. Was ich Adel nenne, das giebt es nur noch in unsrer Mark und in unsrer alten Nachbar- und Schwester­provinz, ja, da vielleicht noch reiner als bei uns. Ich will nicht aus- sühren, wie's bei schärferem Zu­sehen auf dem adligen Gesamt­gebiete steht, aber doch wenigstens ein paar Andeutungen will ich machen. Ich habe sie von allen Arten gesehen. Da sind zum Beispiel die rheinischen jungen Damen, also die von Köln und Aachen; nun ja, die mögen ganz gut sein, aber sie sind katholisch, und wenn sie nicht katholisch sind, dann sind sie was andres, wo der Vater erst geadelt wurde. Neben den rheinischen haben wir dann die westfälischen. lieber die ließe sich reden. Aber Schlesien. Die schlesischen Herrschaften, die sich mitunter auch Magnaten nen­nen, sind alle so gut wie polnisch und leben von Jeu und haben die hübschesten Erzieherinnen; immer ganz jung, da macht es sich am leichtesten, lind dann sind da .noch weiterhin die preußischen, das heißt die ostpreußischen, wo schon alles aufhört. Nun, die kenn' ich, die sind ganz wie ihre Litauer Füllen und schlagen ans und beknabbern alles. Und je reicher sie sind, desto schlimmer. Und nuir wirst Du fragen, warum ich gegen andre so streng und so sehr für unsre Mark bin, ja speziell für unsre Mittelmark. Deshalb, mein lieber Woldemar, weil wir in unsrer Mittelmark nicht so bloß ^ äußerlich in der Mitte liegen, sondern weil wir auch in ! allem die rechte Mitte haben und halten. Ich habe mal ^ gehört, unser märkisches Land sei das Land, drin es ! nie Heilige gegeben, drin man aber auch keine Ketzer