Issue 
(1897) 08
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Ueber Lan

Bleer hinaus. Jetzt heben auch die Kämpfe aufs neue au und werden immer heftiger. Als besonderes Zeichen seiner Wut bläst der rauflustige Strandmeister den Atem in mächtigen Dampfwolken aus.

Endlich, gegen den 10. Juni, tauchen auch die ersten Weibchen ans den Wellen auf. Sobald das Tier aus dem Wasser kommt, sieht es sich um, bis es einen Strandmeister erblickt, den es für den stärksten hält, und dann gesellt es sich zu ihm. Es ist nämlich Gesetz der Robbeninseln, daß das Weibchen wählt; nachdem es aber einmal seine Wahl getroffen hat, ist dieselbe unwiderruflich, denn das Weibchen kommt in einenHarem" und wird dort strenger bewacht als irgend eine Sultane. Schon ehe es den Harem des Aus­erkorenen erreicht, kommt es zum Blutvergießen, denn die andern Strandmeister versuchen, das Weibchen für sich zu gewinnen, und so giebt es erbitterte Kämpfe.

Die Ankunft der Kuh auf der Insel geht einem inter­essanten Ereignis unmittelbar voran. In einem oder zwei Tagen bekommt sie nämlich ein Images. Dieses behandelt sie anfangs sehr zärtlich, und auch später wenn es ihr nieder gestattet ist, ins Meer zu gehen sucht sie bei ihrer Rückkehr ihren eignen Säugling aus den Tausenden heraus. Wie sie es fertig bekommt, das Tierchen unter so vielen andern wieder zu erkennen, ist ein Geheimnis der Natur; man hat aber wiederholt beobachtet, wie jedes so­eben zurückgekehrte Mütterchen auf die Suche geht: sie nähert sich einer Gruppe, schnüffelt jedes Junge an und geht dann weiter, bis sie ihren Säugling findet. Sobald die Jungen ein wenig gehen können, gesellen sie sich in größeren Blassen zu einander und spielen wie kleine Hunde stundenlang zusammen; fünf bis sechs Wochen alt, wagen sie sogar ins seichte Wasser am Strande zu gehen und lernen allmählich schwimmen.

Die Harems sind verschieden groß; durchschnittlich ent­halten sie fünfzehn bis zwanzig Weibchen, es kommt aber vor, daß ein besonders starker Strandmeister bis siebzig um sich sammelt, während andre es nur auf eines bringen können. Die Weibchen sitzen dicht zusammen um den eifer­süchtigen Strandmeister herum, dieser geht häufig schnaubend, murrend, Atemwolken auspustend, um seine Familie herum, um alle Mitglieder im Zaume zu halten. Das Weibchen bekommt auch mitunter die rohe Kraft seines Herrschers zu fühlen. Wenn es nämlich Anstalt macht, den Harem zu verlassen, packt es der alte Strandmeister mit den Zähnen und drückt es entweder auf die Erde nieder oder wirft es rücklings über den Kopf in den Harem zurück. Dabei kommt es zuweilen vor, daß ein Weibchen dieser brutalen Behandlung erliegt; auch die Säuglinge werden häufig durch die herumtobenden Strandmeister zerdrückt.

So geht es wochenlang auf der ganzen Brutstätte her überall Liebe und Haß, Kampf und Gebrüll. Der Lärm ist fürchterlich. Ein paar Kilometer entfernt, glaubt mau einen herannahenden Eisenbahnzug zu hören. Hinten auf einem nahen Steinhaufen oder einer Felsenwand sitzen vereinzelt Halbbnllen und sehen voll Neid und Sehnsucht auf das tolle, brausende Leben herab und geben dabei eine Art Gelächter von sich, was zu bedeuten scheint:Im nächsten Jahre werden wir's doch wagen!" Der Halbbulle ist aber noch sehr furchtsam; stößt ein naher Strandmeister einen drohenden Laut nach seiner Richtung aus, so ergreift er die Flucht, wobei er häufig den Abhang herabrollt, bis er ins Meer stürzt.

Das Lauern auf den Felsen hat aber seinen besonderen Zweck. Der Halbbulle weiß, daß sich die Strandmeister bald von ihren Harems entfernen müssen; dann will er herabsteigen und Bekanntschaften unter den Weibchen für das nächste Jahr machen. Die Strandmeister bleiben un­unterbrochen auf den Brutstätten von ihrer Ankunft an bis in die ersten Wochen des August oder später drei

und W eer.

Monate ohne zu essen ober zu trinken. Sie halten das Haremsystem streng aufrecht bis gegen Ende Juli, dann fangen sie wieder an, etwas zu schlafen. Erst nachdem die Natur für die Vermehrung der Rasse gesorgt hat, wird es den Weibchen gestattet, sich von den Harems zu ent­fernen. Sie gehen dann allmählich ins Meer, um Nahrung (Fische, Kalmare und so weiter) zu suchen, kehren aber an­fangs ein paarmal täglich zurück, um ihre Jungen zu saugen. Später machen sie längere Reisen, sogar bis 200 Seemeilen von den Inseln, und kommen dann höchstens einmal in der Woche zurück.

Die Harems werden also allmählich aufgelöst, die Strandmeister werden friedlicher und hören zu kämpfen auf, und es herrscht auf der Brutstätte ein allgemeines Hin- nndhergehen. Ermattet und äbgemagert durch Kampf und Hunger, schwimmen endlich di? Strandmeister auf fünf bis sechs Wochen ins Meer hinaus. Die Halbbullen steigen nunmehr herab und versuchen, sich Harems zu bilden, finden aber bei den Weibchen keine Beachtung.

Während all dieser Vorgänge auf der Brutstätte ist es draußen auf demParadeplatze" ganz anders zngegangen ; dort hat der liebe Friede geherrscht, dort hat man fast die ganze Zeit verschlafen. Aber gerade dort hat sich auch das Tragische in diesem Tierleben ereignet: der Mensch griff mit vernichtender Hand in das Idyll ein.

Die Inseln sind nämlich von den Vereinigten Staaten an eine große Gesellschaft verpachtet, die damit das Recht erwarb, 100 000 Tiere jährlich zu töten. Kein Weibchen darf man erschlagen, nur die Junggesellen im Alter von 2Hg bis 3^2 Jahren. Wegen des eigenartigen Lebens der Robben ist das Hinschlachten der meisten Männchen für die Vermehrung der Rasse nur förderlich, denn die Verhältnisse auf den Brutstätten würden unerträglich werden, wenn dort die Zahl der Strandmeister so groß wäre wie die der Weibchen.

Bevor die Tiere getötet werden, treibt man sie auf einen Schlachtplatz, zwei bis drei Kilometer hinter dem Paradeplatze. Die Männer gehen schon um zwei Uhr morgens, wahrend es noch kühl ist, zum Paradeplatze, schleichen sich geräuschlos zwischen die Junggesellen und die Brutstätten und treiben dann erstere häufig drei- bis viertausend an der Zahl ganz langsam landeinwärts auf den Schlachtplatz. Das Treiben ist auf den Pribylow- inseln sehr bequem, da der Boden hier nur langsam auf­steigt; aber es ist geradezu erstaunlich, was für Terrain­schwierigkeiten die Robben überwinden können. Auf der Kupferinsel zum Beispiel werden sie über steile Berge bei­nahe 1200 Fuß hoch getrieben.

Der Schlachtplatz liegt gewöhnlich an einem kleinen Teiche, worin die Tiere sich abkühlen können, ehe das blutige Werk beginnt. Nebenan steht dasSalzhaus", wo die Felle eingesalzen und ausbewahrt werden. Das Hinschlachten ist ganz einfach und geht rasch und systematisch vor sich. Aus der großen Herde werden 20 bis 80 Tiere abgetrennt und auf eine Reihe kräftiger Männer zugetrieben, die mit starken Holzkeulen bewaffnet sind. Wenn die Tiere ganz nah herangekommen sind, sucht man die passenden aus und erlegt sie mit einem Schlage auf den Schädel. Tiere unter zwei Jahren und besonders starke Exemplare, die versprechen, tüchtige Strandmeister zu werden, läßt man laufen; diese finden dann leicht von selbst den Weg ins Meer zurück.

Bis zum Jahre 1889 hatten die Pächter alljährlich 100 000 Robben auf den Inseln getötet, danach war aber der Bestand durch die Raubjagd aus hoher See so sehr zurückgegangen, daß sie ihre Quote nicht mehr erreichen konnten, und sie gewannen deshalb in den sieben Jahren 1890 bis 1896 zusammen nur circa 100 000 Stück. Die Beute der Raubjäger erreichte dagegen 1894 die Höhe von