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Hkeber Land und Meer.
„Frauenberuf im Theater" (1894) herausgegebeu hat. Die Beziehungen des neuen Direktors zur österreichischen Kaiserstadt sind übrigens schon älteren Datums. Seine Gattin Paula Conrad, die ehemalige Naive und jetzige ausgezeichnete Charakterdarstellerin des Berliner Schauspielhauses, erblickte in Wien das Licht der Welt, und seit Jahren ist Paul Schlenther daselbst ein häufiger Gast. Schneidigen Theaterrezensenten pflegt man vorzuhalten, daß es leichter sei, einzureißen als anfzubauen, und das ist gewiß richtig, aber schon mancher ehemalige Kritiker hat bewiesen, daß er sich auch ans das Aufbauen versteht. Möge das Gleiche dem neuen Direktor des Burgtheaters beschieden sein. Sch.
Neue Altertümer in Steiermark.
Von
Franz Jos. Iridrich.
-Mmim haben die Strahlen der Frühlingssonne ihren NW Angriff auf den noch die Thäler erfüllenden Schnee gemacht und die ersten Blättchen hervorgelockt, so beginnt auch schon der alljährliche Strom von Touristen sich in die entlegensten Thäler der Alpen zu ergießen, und gilt diese Wanderung wohl in erster Reihe den Naturschönheiten der Alpen, so läßt sich doch nicht leugnen, daß auch der Be- ! wohner des Hochgebirges dein Städter ein reges Interesse einflößt, ein Interesse, das übrigens wohl begründet ist. ^
Viel zäher als der Bauer des Flachlandes am Althergebrachten hangend, bildet der Aelpler gleichsam ein ! Bindeglied zwischen der Vergangenheit und Gegenwart, ! zwischen Mittelalter und Neuzeit, und bietet nicht selten den Reiz, den eine Reliquie aus vergangenen Jahrhunderten anszuüben vermag. In der That sind die deutschen Bergvölker, deren Sagen, Sitten und Gebräuche durchwegs aus grauer Vorzeit stammen, eine wahre Fundgrube für Altertumsforscher geworden, aus der so manches wertvolle Fragment ans Tageslicht gezogen wird.
Wohl nicht eines der geringsten davon ist der steirische „Bauernkalender", der — ähnlich dem skandinavischen Runenkälender — seine Abstammung unmittelbar von dem germanischen Zeitkerbholze herleitet, nur daß die Runen eben nicht mehr in Holz geschnitten, sondern auf Papier gedruckt werden.
Fast der ganze Inhalt dieses Kalenders besteht aus geheimnisvollen Zeichen, geometrischen Figuren oder auch hieroglyphenartiger Nachbildung von Gegenständen, die alle jedoch feststehende, seit Jahrhunderten stets sich gleichbleibende Bedeutung haben. Einzelne dieser Zeichen sind oft sehr originell. So zum Beispiel bedeutet die Hieroglyphe einer Windmühle Wind; eine schwarze Hand weist auf kühles Wetter hin; Anfang und das Ende der Hundstage sind durch einen Köter in sitzender Stellung bezeichnet; Christi Himmelfahrt wird durch zwei ans der Luft herabhängende Beine, unter denen sich die Erde mit zwei Fußstapfen befindet, markiert. Die unterste wagrechte Reihe ist den Zeichen des Tierkreises gewidmet; darüber befinden sich die Tagesbezeichnungen, von denen ein rotes Dreieck den Feiertag, ein schwarzes den Werktag und ein roter Halbkreis ! mit Kreuz den Sonntag bezeichnet. Die folgende Reihe s enthält die Runen der mutmaßlichen Witterung, die letzte ^ Reihe endlich Abbildungen von Gegenständen aus der Legende des betreffende,: Tagesheiligen, oder wohl auch eine ! Abbildung des Heiligen selbst mit allen feinen Attributen.
Da die einzelnen Zeichen dem Einheimischen schon von ^ früher Jugend her bekannt sind, so erteilt der Kalender ! auch dem des Lesens Unkundigen Bescheid. Analphabeten giebt es übrigens jetzt nur noch selten, trotzdem aber findet sich der „Bauernkalender" — wie es eben bei dem konservativen
Hang des Aelplers nicht anders sein kann, noch in jeder „Keusche" vor, nur daß ihm hin und wieder noch ein andrer, neuerer Zeitweiser mit „schönen Geschichten" beigesellt ist.
Zahlreiche Ueberrefte der mittelalterlichen Pharmakopöe kann man in den Verkaufsständen der Wallfahrtsorte, namentlich Mariazells, finden. Da giebt es einmal „Schreck- stoana", rautenförmige Stückchen aus Stein mit dem Bildnis der Mutter Maria oder andrer Heiliger; den Kindern um den Hals gehängt, sollen sie letztere vor dem „Schrecken" (Fallsucht) bewahren. Der „Glückstoan", eine Art Medaille aus roten, Thone, bewirkt wieder, daß sein Träger stets Geld in der Tasche hat. Außer diesen sogenannten „Breverln" wären ferner noch zn erwähnen: die Rotlaufkugel gegen die genannte Krankheit; das „Haupt-, Hirn- nnd Flußpulver", ein graues, scharfes Pulver zum Schnupfen, das die Aufgabe hat, „alle bösen Flüsse, so sich im Haupt oder Leib befinden, herauszuziehen, klar sehend zu machen und alle bösen Schmerzen zn lindern".
Selbstverständlich werden alle diese Mittel von den Bauern sehr häusig gebraucht, wie sich ja überhaupt die „Sympathie" in den Gebirgsgegenden noch eines großen Ansehens erfreut. Aber hat sich denn die mittelalterliche Heilkunde mit etwäs andern: befaßt? Noch in den medizinischen Büchern des vergangenen Jahrhunderts wird die Heilung durch Sympnthiemittel als äußerst wirksam anempfohlen, und wie bei vielem andern, hat sich der Aelpler auch hier von dem Althergebrachten nicht ganz z» trennen vermocht.
Vetlelöuö.
Märchen
von
E. K. Wes.
Eieh nur das Holz, das dem Uetli feine Kinder heim- -E bringen," sagte Bettelbubs Mutter und richtete sich im Bett auf. „O, die langen, langen Aeste! Achte müssen sie tragen; und die Netlin geht nebenher und legt stolz die Hand ans. O, die dicken Aeste! Das gab' ein Feuer.'" Sie hüllte sich fröstelnd in ihre Lumpen. „Was gehst nicht auch mit den andern ins Holz, Bub?"
Bettelbub hob ein Paar tieftraurige Augen zn seiner Mutter auf. Daß sie noch fragen konnte, sie wußte doch gut, warum. Es war ja sein tagtäglicher Kummer.
Die Mutter blickte noch immer zum Fenster hinaus. „Hörst etwa nicht?" fragte sie scharf.
Da sagte er leise: „Wer geht wohl mit mir? Bettelbub ist immer allein."
Eine schnelle Röte färbte auf einen Augenblick das bleiche Gesicht der Frau. „Scht! Scht! mach dir nichts draus; im Himmel hast du die Engelein."
„Ja," sagte Bettelbub inbrünstig.
Das war sein Trost, wenn die Kinder im Dorf ihn jagten und höhnten.
„Wartet Mutter, ich geh' auch ins Holz. Ich bring' schon was heim. Ihr friert mir nicht mehr, wenn erst das Feuer im Herde brennt."
Die Augen der kranken Frau leuchteten bei dem Gedanken auf. „Wirst aber bedenklich hoch steigen müssen," seufzte sie dann hüstelnd. „Unten haben sie sicher schon alles durchsucht. Daß auch der Winter Heuer kein Ende nimmt! Gott denkt nicht an die Armen."
Bettelbub holte das Beil unter dem Ofen hervor, suchte den Holzstrick mit dem eisernen Haken und „rächte sich fertig. Die Mutter verfolgte jede seiner Bewegungen, während ihre abgemagerten Hände an der Bettdecke zerrten.