Issue 
(1897) 08
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Ämile Zola.

LMenn je die Blicke der gesamten gebildeten Welt sich EZ in einmütiger Anerkennung einer einzelnen Persön­lichkeit zugewendet haben, so ist das bei Emile Zola der Fall gewesen, als er sich mit seinem mannesmutigen Schreiben über die unselige, für die ganze Entwicklung Frankreichs so verhängnisvoll gewordene Dreyfus-Angelegen- heit an den Leiter der öffentlichen Angelegenheiten seines Vaterlandes wandte. Allerdings muß aus den: Begriffe der gebildeten Welt bei diesem Anlässe der größere Teil der Landes- und Stammes­angehörigen des Dichters ausgeschieden werden, was indes wenig verschlägt an­gesichts der einhelligen Kund­gebungen, die sich für den mutigen Mann aus allen Kulturländern erhoben haben.

Selten ist so wie gegenwärtig in Zola das Idealbild des rechtschaffenen und uber­zeugungstreuen Mannes ver­wirklicht worden, wie der altrömische Dichter es ent­wirft :Ihn schreckt nicht

die Wut des verblendeten Volkshausens, nicht der drohende Blick des Tyrannen, nicht Sturmgeheul und Wettergraus; wenn der hohe Himmelsdom einstürzen sollte, würden die Trümmer einen treffen, der von Furcht nichts weiß."

Wenn Zola sich durch sein unerschrockenes Vorgehen zu einer seltenen Stufe men­schlicher Größe erhebt, muß das doppelt angenehm be­rühren bei einem Mann, der als Künstler schon seit ge­raumer Zeit eine ähnliche hohe Stellung beanspruchen darf. In seiner Anerkennung ist freilich dieser Anspruch

noch nicht gar langen Datums, und es fehlt auch heute noch nicht an Stimmen, die seine Berechtigung min­destens als zweifelhaft hinstellen wollen. Hat doch in seinem Heimatlande dem Dichter jene eigentümliche akademische Instanz, die dazu berufen ist, über Ruhm und Nichtrnhm der Landeskinder zu entscheiden, die Französische Akademie, bis jetzt ihre Thore hartnäckig verschlossen gehalten, obwohl

Ueber Land und Meer. Jll. Okt.-Heste. XIV. 8.

diese sich seit Jahren schon einer Reihe minder Berufener geöffnet. Man hat es Zola verübelt, daß er sich trotz der ihm wiederholt zu teil gewordenen Abweisung immer wieder um einen Sitz unter denvierzig Unsterblichen" Frankreichs beworben hat, ja man hat diese Schritte dem Alaune, den doch noch niemand sich um eine Gunst hat bemühen sehen, als kleinliche Eitelkeit und Strebertum auslegen wollen. Und doch wäre es nicht so schwierig gewesen,

das richtige Motiv ausfindig zu machen. Der Name Zola wurde kurz nach seinen: ersten Auftauchen vor der Oeffentlich- lichkeit mit einem Makel be­haftet, von den: er sich

trotz aller gewaltigen Kunst­leistungen, die sich seither an ihn geknüpft, in den Augen gewisser Kreise bis heute noch nicht gereinigt hat; der Ver­fasser derTherese Raquin" und mehr noch der des großen cyklischen RomanwerkesDie Rougon-Macquart" galt als einer der sogenannten porno­graphische!: Schriftsteller und geradezu als das Haupt und der Führer der modernen französischen Schmutzlittera- tur. Es war das eine An­sicht, die bei dem Erscheinen der ersten Bände derRou­gon-Macquart" noch allgemein verbreitet war und damals an denselben Stellen zun: öffentlicher: Ausdruck gelangte, die jetzt kein Bedenken tragen, den einst alsPornographen" Verlästerten für den ersten der lebenden Dichter Frank­reichs zu erklären. Nichts andres als die bündige und feierliche Widerlegung der erhobenen Anschuldigung be­zweckte Zola durch seine Bewerbung um einen der Sessel der französischen Akademiker; sich seinen Anspruch auf Nachruhm von irgend einer Behörde der Welt durch Brief und Siegel" bestätigen zu lassen, hat er nie nötig gehabt, wohl aber durfte er nach der Genugthuung streben, die von ihm verfolgte künstlerische Richtung öffentlich als eine auf ein sittliches Ziel gerichtete anerkannt zu sehen, und das hätte durch nichts eklatanter geschehen können als

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