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Weber Land und Weer.
Glück gebracht hat. Er kennt seine Macht über Frauen und Männer, und er übt sie ohne Skrupel aus. Kara ist vor ihm gewarnt, sie durchschaut ihn sogar selbst, aber sie liebt ihn, und weil sie ihn liebt, ist sie auch gewiß, nicht von ihm loszukommen. Sie kompromittiert sich und läßt sich, unbekümmert um die Folgen, so stark durch ihn kompromittieren, daß Baron Brnckring, der immer bereit ist, die Konsequenzen seiner Handlungen so weit zu ziehen, als sie gezogen werden müssen, sich zu einer Ehe mit ihr entschließt. Eine Ehe, von der niemand ein Glück erwartet, selbst Kara nicht. Aber dennoch geht sie diese Ehe ein, von der ihr eigner Vater ihr abredet, — „meine Liebe erwärmt ihn. Ohne mich würde er vielleicht immer härter werden und zuletzt versteinern." Die Hauptsache ist freilich, daß sie selbst sich nicht stark genug fühlt, von ihm zu lassen, auf ihn zu verzichten, solange er sie nicht selbst von sich stößt. Und die Ehe wird zu einem Matyrium, in dem Kara sühnt, was sie gefehlt hat, gefehlt aus sein Ziel überfliegendem Idealismus, aus Weltunkenntnis, jugendlicher Unreife, Mangel an Vertrauen zu ihren natürlichen Beratern. Ein Martyrium aber auch, aus dem sie starker, in sich gefestigter hervorgeht, — „wie auch der Liebessturm dieses Herz durchwütet hatte, zerbrechen können hatte er es nicht." „Kara" ist einer der in Deutschland nicht eben sehr häufigen Romane, die nicht nur eine spannende Handlung und interessante Figuren, sondern auch zugleich ein wahres Bild aus der Gesellschaft geben und die wirklich bis auf die Tiefe der Dinge gehen.
Mehr an der Oberfläche bleibt Valeska Gräfin Bethusy-Huc in ihrem Roman „Glückskinder" (Berlin, Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund). Man liest da nur von Schicksalen, aber man wird von diesen Schicksalen nicht im Innersten erregt, und man lernt auch eigentlich nichts aus ihnen, als daß es wirklich Glückskinder giebt, und da diese Glückskinder zwei liebenswürdige, nette Mädchen sind und die Geschichte gut und kurzweilig erzählt ist, so gewinnt man sogar so viel Anteilnahme an ihnen, daß man ihnen ihr Glück von Herzen gönnt. Aber eigentlich besteht dieses Glück doch in weiter nichts, als daß zwei Mädchen aus bescheidener Familie, von denen die ältere eine Erziehung „über ihren Stand hinaus" erhalten hat, sogenannte gute Partien machen. Die ältere heiratet
einen Gutsbesitzer, die andre einen intelligenten jungen Tischlermeister, der es sicher noch mal zum Möbelfabrikanten 6u Zros und wohlhabenden Maune bringen wird. Daß die junge Gutsbesitzersfran sich beinahe ihr Glind verscherzt und nur die Gutmütigkeit ihres Gatten es ihr zum zweitenmal auf dem Präsentierteller entgegenbringt, kompliziert die Sache, aber auch nur so viel, daß man von dem einen Fräulein Hrabosky sagen kann, sie hätte viel Glück, und von dem andern, sie hätte noch mehr Glück gehabt.
Emil Roland (Emmi Lewald), die Verfasserin einer Anzahl sehr feiner psychologischer Studien aus der Gesellschaft, veröffentlichte eine Sammlung italienischer Reiseskizzen unter dem Titel „Italienische Landschaftsbilder" (Oldenburg, Schulzesche Hofbuchhandlnng, A. Schwarz). Keine Studien, sondern Eindrücke einer geistvollen, gut beobachtenden Frau, die sich nicht damit begnügt, dem großen Strom der Touristen zu folgen, sondern die ihre eignen Wege geht und zu unterscheiden weiß, wo der vielbehandelte Stoff bereits genugsam Tinte hat fließen lassen und wo ihm noch neue Seiten abzugewinnen sind. Da hört man ihr gerne zu, um so lieber, da sie Stimmung zu wecken weiß und anschaulich zu schildern versteht. Jtalienreisende werden, davon bin ich überzeugt, noch einen praktischen Nutzen von der Lektüre haben, die sie auf Ausflüge aufmerksam macht, die etwas abseits vom Wege liegen.
Von einein bemerkenswerten Prachtwerke, „König Ludwig II. und die Kunst" von L. von Kobell (Verlag von Jos. Albert, München), liegen mir die drei ersten Lieferungen vor. Bemerkenswert sowohl durch die Fülle der Illustrationen, die aus dem reichen Schatz der zeitgenössischen künstlerischen Darstellungen und vor allem der von König Ludwig erbauten Schlösser schöpfen, wie auch durch den Text der durch ihr großes Werk „Unter vier bayrischen Königen" bekannt gewordenen Verfasserin. Luise von Kobell schildert König Ludwigs künstlerische Entwicklung, ausgehend von den Eigentümlichkeiten feines Charakters, von der Umgebung, in der er heranwuchs, und von den erzieherischen Einflüssen, die sich auf ihn geltend machten. Für eine Beurteilung der Einwirkung Ludwigs II. auf die Kunst seiner Zeit scheint mir das Werk von grundlegender Bedeutung zu werden.