Stechlin.
Roman
von
Theodor Fontane.
(Fortsetzung.)
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uf drei war das Mittagsmahl angesetzt. v-LLl' Schon eine Viertelstunde vorher erschien Lorenzen und traf den alten Dubslav in ^ ^ einer gewissen stattlichen Herrichtung an
oder, wie er sich selbst zu Engelke geäußert hatte, „ganz feudal".
„Ach, das ist gut, Lorenzen, daß Sie schon kommen. Ich habe noch allerhand auf dem Herzen. Es muß doch was geschehn, eine richtige Begrüßung (denn das gestern abend war zu wenig) oder aber ein solennes Abschiedswort, kurzum irgend was, das in das Gebiet der Toaste gehört. Und da müssen Sie helfen. Sie sind ein Mann von Fach, und wer jeden Sonntag predigen kann, kann doch schließlich auch 'ne Tischrede halten."
„Ja, das sagen Sie so, Herr von Stechlin. Mitunter ist eine Tischrede leicht und eine Predigt schwer, aber es kann auch umgekehrt liegen. Außerdem, wenn Sic sich nur erst mit dem Gedanken vertraut gemacht haben, daß es so sein muß, dann geht es auch. Sie werden sehn, das Herz, wie
immer, macht den Redner. Und dazu diese Damen, beide von so seltener Liebenswürdigkeit. Was die Gräfin angeht..."
„Ja," lachte der Alte, „was die Gräfin angeht . . . Sie machen sich's bequem, Pastor. Die Gräfin, — wenn sich's um die handelte, da könnt' ich's vielleicht auch. Aber die Comtesse, die hat so was Ernstes. Und dann ist sie znm klebrigen auch noch meine Schwiegertochter oder soll es wenigstens werden, und da muß ich doch sprechen wie 'ne Respektsperson. Und das ist schwer, vielleicht, weil sich in meiner Vorstellung die Gräfin immer vor die Comtesse schiebt."
Dubslav sprach noch so weiter. Aber es half ihm nichts; Lorenzen war in seinem Widerstande nicht zu besiegen, und so kam denn die Tisch- und endlich auch die gefürchtete Redezeit heran. Der Alte hatte sich schließlich drein gefunden. „Meine lieben Gäste," hob er an, „geliebte Braut, hochverehrte Brautschwester! Ein andres Wort, um meine Beziehungen zu Gräfin Melusine zu bezeichnen, hat vorläufig die deutsche Sprache nicht, was ich bedanre. Denn das Wort sagt mir lange nicht
Ueber Land und Meer. Jll. Okt.-Hefte. XIV. II.
genug. Wenige Stunden erst ist es, daß ich Sie, meine Damen, an dieser Stelle begrüßen durfte, noch kein voller Tag, und schon ist der Abschied da. Währenddem Hab' ich kein ,Dw beantragt, aber es liegt doch in der Luft, mehr noch auf meiner Lippe . . . Teuerste Armgard! dies alte Haus Stechlin also soll Ihre dereinstige Heimstätte werden; Sie werden sie Zu neuem Leben erheben. Unter meinem Regime war es nicht viel damit. Auch heute nicht. Ich habe nur das gute Gewissen, Ihnen während dieser kurzen Spanne Zeit alles gezeigt zu haben, was gezeigt werden konnte: mein Museum und meinen See. Die Sprudelstelle (die Winterhand lag darauf) hat geschwiegen, aber mein Derfflingerscher Dragoner — in Krippenstapels Abwesenheit darf ich ihn wieder so nennen — hat dafür um so deutlicher zu Ihnen gesprochen. Er hat die Zahl 1675 in seiner Standarte und trägt die Siegesnachricht von Fehrbellin ins märkische Land. Erleb' ich's noch und giebt Krippenstapel seine Zustimmung, so stell' ich, kurz oder lang, auch meinerseits einen Dragoner auf meinen Dachreiter (einen Turm Hab' ich nicht) und zwar einen Dragoner vom Regiment Königin von Großbritannien und Irland, und auch er trägt eine Siegesbotschaft ins Land. Nicht die von Königgrätz und nicht die von Mars-la-Tour, aber die von einem gleich gewichtigen Siege. Das Haus Barby lebe hoch und meine liebe Schwiegertochter Armgard!"
Alle waren bewegt. Am meisten Lorenzen. Als er an den Alten heran trat, flüsterte er ihm zu: „Sehn Sie. Ich mußt' es." Armgard küßte dem Alten die Hand, Melusine strahlte. „Ja, die alte Garde!" sagte sie. Nur Schwester Adelheid konnte sich in dieser allgemeinen Freude nicht gut zurechtfinden. Alle Feierungen mußten eben das Maß halten, das sie vorschrieb. Sie hatte den landesüblichen Zug: „Nur nicht Zuviel vou irgend ! was, am wenigsten aber von Huldigungen oder gar von Hingebung."
Als man wieder saß, sagte Melusine: „Krippen- ^ stapel wird übrigens verstimmt sein, wenn er von ! Ihrem Trinkspruche hört. Es war doch eigentlich,
! oben in Ihrem Museum, eine feierliche Prokla- ^ micrung des Derfflingerschen. Und was bei solcher
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