Heft 
(1897) 11
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Stechlin.

Partie gemacht, und wer viel erheiratet, der braucht auch viel. Mau denkt immer, ,dann hört es auf', aber das ist falsch, dann fängt es erst recht au. Unter allen Umständen seien Sie bedankt, daß Sie mal haben sehen wollen, wie's mit mir steht. Ich kann leider nur wiederholen, schlecht genug. Aber eine Weile dauert es Wohl noch. Und wenn auch nicht, mit meinem Sohne wird sich, gerade so wie zwischen uns, alles glatt abwickeln, glatter noch, und viel­leicht können Sie gemeinschaftlich mit ihm mal was .heranswirtschaften, was Ordentliches, was Großes, ,-^was sich sehen lassen kann. Das heißt dann neue «Zeit. Und nun, Baruch, müssen Sie noch ein Glas ISHerry nehmen. In unserm Alter ist das immer LIdas beste. Das heißt für Sie, der Sie noch gut Jim Gange sind. Ich darf bloß noch mit an- z stoßen."

I Eine Viertelstunde später fuhr Baruch auf seinem I Wägelchen wieder in den Stechliner Wald hinein I und dachte wenig befriedigt über alles nach, was D er da drinnen gehört hatte. Die geträumten Schloß ( Stechlin-Tage schienen mit einem Male vorüber, st Alles, was der alte Herr da so nebenher von tgemeinschaftlich Herauswirtschaften" gesagt hatte,

. war doch bloß ein Stich, eine Pike gewesen.

^ Ja, Baruch fühlte was wie Verstimmung.

, Aber Dubslav auch. Es war ihm zu Sinn, als ' hätt' er seinen alten Granseer Geld- und Geschäfts- ? freund (trotzdem er dessen letzte Pläne nicht einmal ) ahnte) zum erstenmal ans etwas Heimlichen: und Ver- ^ steckten: ertappt, und als Engelke kam, um die Sherry- ; flasche wieder wegzuränmen, sagte er:Engelke, mit ( Baruch is es auch nichts. Ich dachte wunder, was 1 das für ein Heiliger wär', und nun is der Pferdefuß ! doch schließlich auch 'rausgekommen. Wollte mir da § Geld ans Hypothek beinah' aufzwingen, als ob ich ! nicht schon genug davon hätte. Sonderbar, Uncke, mit seinen: ewigen ,zweideutig', wird am Ende noch i recht behalten. Ueberhaupt solche Polizeimenschen mit l 'nein Karabiner über die Schulter, das sind, bei Lichte besehn, immer die feinsten Menschenkenner. Ich ärgere mich, daß ich's nicht eher gemerkt habe. So dumm v zu sein! Aber das mit der ,Krankheit' heute, das war nur doch zu viel. Wenn sich die Menschen is erst nach Krankheit erkundigen, das ist immer schlimm.

Eigentlich is es jeden: gleich, wie's einem geht, i Und ich habe sogar welche gekannt, die sahen sich immer schon die Möbel und Bilder an und dachten an nichts wie an Auktion."

XXXVII.

Auch die nächsten Tage waren beinahe sommer­lich, thaten den: Alten wohl und erleichterten ihn: > das Atmen. Er begann wieder zu hoffen, sprach . mit Wirtschaftsinspektor und Förster und war nicht bloß voll wiedererwachten Interesses, sondern über­haupt guter Dinge.

So kan: Mitte März heran. Der Himmel war blau, Dubslav saß aus seiner Veranda, den kleinen Springbrunnen vor sich, und sah dabei das leichte weiße Gewölk ziehen. Von: Park her vernahm er den erste:: Finkenschlag. Er mochte wohl schon eine

Neber Land und Meer. Jll. Okt.-Hefte. XIV. II.

Stunde so gesessen haben, als Engelke kan: und den Doktor meldete.

Das ist recht, Sponholz, daß Sie kommen. Nicht um mir zu helfen (das ist immer schlimm, wenn einen: erst geholfen werden soll), nein, um zu sehen, daß Sie mir schon geholfen haben. Diese Tropfen. Es ist doch was damit. Wenn sie nur nicht so schlecht schmeckten; ich muß mir immer einen Ruck geben. Und daß sie so grün sind. Grün ist Gift, heißt es bei den Leuten. Eigentlich eine ganz dumme Vorstellung. Wald und Wiese sind auch grün und doch so ziemlich unser Bestes."

Ja, es ist ein Spezifikum. Und ich bin froh, daß die Digitalis hier bei Ihnen mal wieder zeigt, was sie kann. Und bin doppelt froh, weil ich mich auf sechs Wochen von Ihnen verabschieden muß."

Auf sechs Wochen. Aber, Doktor, das is ja 'ne halbe Ewigkeit. Haben Sie Schulden gemacht und sollen in Prison?"

Man könnte beinahe so was denken. Denn solange Gransee historisch beglaubigt dasteht, ist noch kein Doktor aus sechs Wochen weg gewesen, noch dazu ein Kreisphysikus. Eine Doktorexistenz gestattet solchen Luxus nicht. Wie lebt man denn hier? Und wie hat man gelebt? Immer Furunkel ausgeschnitten, immer Karbolwatte, immer in den Wagen gestiegen, immer einem alten Erdenbürger seinen Entlassungs­schein ausgestellt oder einen neuen Erdenbürger ge­holt. Und nun sechs Wochen weg. Wie ich meinen Kreis wiederfinden werde . . . nu, vielleicht hat Gott ein Einsehen."

Er ist doch wohl eigentlich der beste Assistenzarzt."

Und vor allem der billigste. Der andre, den ich mir aus Berlin habe verschreiben müssen (ach, und so viel Schreiberei), der ist teurer. Und meine Reise kommt mir ohnedies teuer genug."

Aber wohin denn, Doktor?"

Nach Pfäffers."

Pfäffers. Kenn' ich nicht. Und was wollen Sie da? Warum? Wozu?"

Meine Frau laboriert an einen: Rheumatismus, hochgradig, schon nicht mehr schön. Und da ist denn Pfäffers der letzte Trumps. Schweizerbad mit allen Schikanen und wahrscheinlich auch mit allen Kosten. Ein Granseer, der allerdings für Geld gezeigt werden kann, war mal an diesem merkwürdigen Ort und hat mir auch eine Beschreibung davon gemacht. Habe dann natürlich noch im Bädeker nachgeschlagen und unter andern: einen Fluß da verzeichnet gesunden, der Tamina heißt. Erinnert ein bißchen an Zanberflöte und klingt soweit ganz gut. Aber trotzdem eine tolle Ge­schichte, dies Pfäffers. Soweit es nämlich als Bad in Betracht kommt, ist es nichts als ein Felsenloch, ein großer Backofen, in den man hineingeschoben wird. Und da hockt man denn, wie die Indianer hocken, und die Dämpfe steigen siedeheiß von unten heraus. Wer da nicht wieder zustande kommt, der kann über­haupt einpacken. Uebrigens will ich für meine Person mit hineinkriechen. Denn das darf ich Wohl sagen, wer so fünfunddreißig Jahre lang durch Kreis Gransee hin und her kutschiert ist, mitunter bei Ost­wind, der hat sich sein Gliederreißen ehrlich verdient.

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