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Ueber Land und Meer.
Gelegenheit gesagt wird, das gilt. Ihre gegenteiligen Zugeständnisse waren immer nur was Privates... Interessiert sich übrigens irgendwer sür Ihr Museum?"
„Dann und wann ein Mann von Fach. Sonst niemand."
„Was Sie verdrießt."
„Nein, gnädigste Gräfin. Nicht im geringsten. Ich nehme nicht vieles ernsthaft, und am wenigsten ernsthaft nehm' ich mein Museum. Es ist freilich von mir ausgegangen und interessierte mich auch eine Weile, hinterher aber hat sich eigentlich alles ohne mich und mein Zuthun gemacht. Das ist so die Regel. Ist überhaupt erst ein Anfang da, so läuft die Sache von selber weiter, und die Leute lassen einen nicht wieder los, man mag wollen oder nicht. Ich hätte vielleicht alles schon längst wieder aufgegeben, man will's aber nicht. Einigen gereicht es Zur Befriedigung, mich für einen Querkopf halten Zu können, und andre, die's minder gut mit mir meinen, sprechen, während sie doch meist selber die neuen Scheite Heranschleppen, von Originalitätshascherei. Man muß eben allerhand über sich ergehn lassen."
XXXI.
Um fünf Uhr brachen Woldemar und die Barby- schen Damen auf, um den Zug, der um sieben Uhr Gransee passierte, nicht zu versäumen. Es dunkelte schon, aber der Schnee sorgte für einen Lichtschimmer; so ging es über die Bohlenbrücke fort in die Kastanienallee mit ihrem kahlen und übereisten Gezweigs hinein.
Lorenzen war noch im Schlosse zurückgeblieben und setzte sich, um wieder warm zu werden, — auf der Rampe war's kalt und zugig gewesen — in die Nähe des Kamins, dem alten Dubslav gegenüber. Dieser hatte seinen Meerschaum angezündet und sah behaglich in die Flamme, blieb aber ganz gegen seine Gewohnheit schweigsam, weil eben noch eine dritte Person da war, die von den liebenswürdigen Damen, über die zu sprechen es ihn in feiner Seele drängte, ganz augenscheinlich nichts hören wollte. Diese dritte Person war natürlich Tante Adelheid. Andrerseits mußte schon um Lorenzens willen wenigstens der Versuch einer Konversation gemacht werden, und so griff denn Dubslav zu den Gundermanns hinüber, um in ein paar Worterl sein Bedauern darüber auszusprechen, daß er die Sieben- mühlner nicht habe mit heranziehn können. „Engelke sei so sehr dagegen gewesen." All dies Bedauern kam, wie's der ganzen Sachlage nach nicht anders sein konnte, stau genug heraus, aber die Domina war so hochgradig verstimmt, daß ihr selbst Nüchternheitsworte, die das Verbindliche nur eben noch streiften, schon gründlich zuwider waren. „Ach, diese geborne Helfrich," sagte sie, „diese Tochter von dem alten Hauptmann, der die Schlacht bei Leipzig gewonnen haben soll. So wenigstens hat sie mir's ein dutzendmal selber erzählt. Eine schreckliche Frau, die gar nicht in unsre Gesellschaft paßt. Und dabei so laut. Ich kann es nicht, leiden, wenn wir so
mit Gewalt nach oben blicken sollen, aber diese Helfrich, das muß ich sagen, ist auch nicht mein Geschmack. Ich halte das Unter-sich-bleiben für das einzig Richtige. Bescheidene Verhältnisse, aber bestimmt gezogene Grenzen."
Lorenzen hütete sich zu widersprechen, versuchte vielmehr umgekehrt durch ein halbes Eingehn auf Adelheid und ihren Ton, eine bessere Laune wieder herzustellen. Als er aber sah, daß er damit scheiterte, brach er auf.
Und nun waren die beiden alten Geschwister allein.
Dubslav ging im Zimmer unruhig auf und ab und trat nur dann und wann an den Tisch heran, auf dem noch vom Kaffee her die Liqueurflaschen standen. Er wollte was sagen, traute fich's aber nicht recht, und erst als er zu zwei Curaoaos auch noch einen Benediktiner hinzugefügt hatte, wandte er sich an die Schwester, die, schweigsam wie er selbst, ihre kleine goldene Kette hin und her zog.
„Ja," sagte er, „jetzt sind sie nun wohl schon in Woltersdorf."
„Ich vermute drüber 'raus. Woldemar wird die Pferde natürlich ordentlich ausholen lassen. Es find, glaub' ich, Damen, die nicht gerne langsam fahren."
„Du sagst das so, Adelheid, als ob du's tadeln wolltest, überhaupt als ob dir die Damen nicht sonderlich gefallen hätten. Das sollte mir leid thun. Ich bin sehr glücklich über die Partie. Gewiß, sowohl die Gräfin wie die Comtesse sind verwöhnt; das merkt man. Aber ich möchte sagen, je verwöhnter sie sind..."
„Desto besser gefallen sie dir. Das sieht dir ähnlich. Ich liebe mehr unsre Leute. Beide sind doch beinah' wie Fremde."
„Nun, das ist nicht schlimm."
„Doch. Mir widersteht das Fremde. Laß dir erzählen. Da war ich vorigen Sommer mit der Schmargendorfs in Berlin und ging zu Joftp, weil die Schmargendorfs, die so was liebt, gern eine Tasse Schokolade trinken wollte."
„Du hoffentlich auch."
„Allerdings. Ich auch. Aber ich kam nicht recht dazu, nippte bloß, weil ich mich über die Maßen ärgern mußte. Denn an dem Tische neben mir laß ein Herr und eine Dame, wenn es überhaupt eine Dame war. Aber Engländer waren es. Er steckte ganz in Flanell und hatte die Beinkleider umgekrempelt, und die Dame trug einen Rock und eine Bluse und einen Matrosenhut. Und der Herr hatte ein Windspiel, das immer zitterte, trotzdem fünfundzwanzig Grad Wärme waren."
„Ja, warum nicht?"
„Und zwischen ihnen stand eine Tablette mit Wasser und Cognac, und die Dame hielt außerdem noch eine Zigarette zwischen den Fingern und sah in die Ringelwölkchen hinein, die sie blies."
„Scharmant. Das muß ja reizend ausgesehn haben."
„Und ich verwette mich, diese Melusine raucht auch."
„Ja, warum soll sie nicht? Du schlachtest Gänse. Warum soll Melusine nicht rauchen?"