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Weber Land und Weer.
Salzinami neuerdings der Atarinemalerei zugewandt habe. Und was die blauen Töne betrifft, so viel darf ich sagen, so bin ich wohl hinter keinem zurückgeblieben. Habe mich außerdem in Gudin und Turner geradezu vergafft. Aber trotzdem..."
„Aber trotzdem ohne rechten Erfolg," unterbrach hier Cujacius, „was mich nicht wunder nimmt. Was wollen Sie mit Gudin oder gar mit Turner? Wer das Meer malen will, muß die alten Niederländer studieren. Und unter den Modernen vor allein die Skandinaven: die Norweger, die Dänen."
Wrschowitz zuckte zusammen.
„Wir haben da beispielsweise den Dänen Melby, der sehr gut und beinah' bedeutend ist."
„O nein, o nein," platzte jetzt Wrschowitz mit vor Nervosität immer mehr erzitternder Stimme heraus. „Nicht serr gutt, nicht bedeutend."
„Der sehr bedeutend ist," wiederholte Cujacius. „Grade darin bedeutend, daß er nicht bedeutend sein will. Er erhebt keine falschen Prätensionen; er ist schlicht, ohne Phantastereien, aber stimmungsvoll; und wenn ich Bilder von ihm sehe, besonders solche, wo das graublaue Meer an einer Klippe brandet, so berührt es mich spezifisch skandinavisch, etwa wie der ossianische Meereszauber in den Kompositionen unsers trefflichen Niels Gade."
„Von Niels Gade spricht man nicht."
„Ich spreche von Niels Gade. Seine Kompositionen reichen bis an Mendelssohn heran."
„Was ihn noch kleiner macht."
„Nicht daß ich wüßte. Wirkliche Kunstgrößen zu stürzen, dazu reichen Ueberheblichkeiten unbekannter Konkurrenten nicht aus."
„Zugegeben. Was Sie, Herr Professor, im übrigen nicht abhielt, mit Turner ausräumen und den großen Gudin cnlbütieren zu wollen."
„lieber Malerei zu sprechen, steht mir zu."
„lieber Musik zu sprechen, steht mir zu."
„Sonderbar. Immer Personen aus unkontro- lierbaren Grenzbezirken führen bei uns das große Wort."
„Ich bin Tscheche, gewiß. Weiß aber, daß es ein deutsches Sprichwort giebt: ,Der Deutsche lüggt, wenn er höfflich wird?"
„Sehr wahr. Weshalb ich unter Umständen daraus verzichte."
„IW guoi VOU8 i'6U88i8863 ä irrerveills."
„Aber meine Herren," warf Pusch hier ein, den die ganze Streiterei natürlich nur entzückte, „könnten ! wir nicht das Kriegsbeil begraben? Proponiere: Begegnung auf halbem Wege; sllalliog IraiaU. Nehmen Sie zurück, hüben und drüben."
„Nie," donnerte Cujacius."
„llamaw," sagte Wrschowitz.
Und damit erhoben sich alle. Cujacius und Pusch hatten die Tete, Wrschowitz und Baron Planta folgten in einiger Entfernung. Szilagy war vorsichtigerweise abgeschwenkt.
Wrschowitz, immer noch in großer Erregung, mühte sich, dem jungen Graubündener auseinander- znsetzen, daß Cujacius ganz allgemein den Ruf eines Krakehlers habe. — „äe vorm A88ur6, Noimieur
Io Lai'oo, U 68t an kou et plrm grre — an blag'ueur."
Baron Planta schwieg und schien trotz dieser eindringlichen Versicherung nicht so ohne weiteres Partei für seinen Begleiter nehmen zu wollen. Aber er bekehrte sich rasch zu diesem, als er im nächsten Augenblicke von der Front her die mit immer steigender Heftigkeit ausgesprochenen Worte hörte: Kaschnbe, Wende, Böhmake.
XXXV.
Um dieselbe Stunde, wo sich die fünf Herren von der Barbyschen Hochzeitstafel entfernt hatten, waren auch Baron Berchtesgaden und Hofprediger Frommel aufgebrochen, so daß sich nur noch der alte Stechlin im Hochzeitshause befand. Er hatte sich — Melusine war vom Bahnhof noch nicht wieder da — vom Eßsaal her zunächst in das verwaiste Damenzimmer und von diesem aus auf die Loggia zurückgezogen, um da die Lichter im Strom sich spiegeln zu sehn und einen Zug frische Luft zu thun. An dieser Stelle fand ihn dem: auch der alte Graf und sagte, nachdem er seinem Staunen über den gesundheitlich etwas gewagten Aufenthalt Ausdruck gegeben hatte: „Nun aber, mein lieber Stechlin, wollen wir endlich einen kleinen Schwatz haben und uns näher miteinander bekannt machen. Ihr Zug geht erst zehn ein halb; wir haben also noch beinah' anderthalb Stunden."
Und dabei nahm er Dubslavs Arm, um ihn in sein Wohnzimmer, das bis dahin als Estaminet gedient hatte, hinüberzuführen.
„Erlauben Sie mir," fuhr er hier fort, „daß ich zunächst mein halb eingewickeltes und halb eingeschientes Elefantenbein auf einen Stuhl strecke; es hat mich all die Zeit über ganz gehörig gezwickt, und namentlich das Stehen vor dem Altar ist mir blutsauer geworden. Bitte, rücken Sie heran. Es ging während unsers kleinen Diners alles so rasch, und ich wette, Sie sind bei dem Kaffee ganz erheblich zu kurz gekommen. Der Moment, wo das Bier hernm- gereicht wird, ist in den Augen des modernen Menschen immer das wichtigste; da wird dann der Kaffeezeit manches abgeknapst."
Und dabei drückte er auf den Knopf der Klingel.
„Jeserich, noch eine Tasse für Herrn von Stechlin und natürlich einen Cognac oder Curayao oder lieber die ganze ,BenediktinerabteU, — Witz von Cujacius, für den Sie mich also nicht verantwortlich machen dürfen. . . Leider werde ich Ihnen bei diesen: .zweiten Kaffee' nicht Gesellschaft leisten können; ich habe mich schon bei Tische mit einer- lügnerisch und bloß anstandshalber in einen Champagnerkübel gestellten Apollinarisflasche begnügen müssen. Aber was hilft es, man will doch nicht anffallen mit all seinen Gebresten."
Dubslav war der Aufforderung des alten Grafen nachgekommen und saß ihm, eine Lampe mit grünem Schirm zwischen sich und ihm, gerade gegenüber. Jeserich kam mit der Tablette.
„Den Cognac," fuhr der alte Barby fort, „kann ich Ihnen empfehlen; noch Beziehungen aus Zeiten