Heft 
(1897) 11
Seite
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Uecker Land und Weer.

Sonderbar, daß der Hauptteil davon auf meine Frau gefallen ist."

Ja, Spanholz, in einer christlichen Ehe. .

Freilich, Herr Major, freilich. Wiewohl das mit der ,christlichen Ehe' auch bloß so so ist. Da hatten wir, als ich noch Militär war, einen Com- pagniechirurgns, richtige alte Schule, der sagte, wenn er davon hörte: ,Ja, christliche Ehe, das kenn' ich. Js wie Schinken in Burgunder. Das eine ist immer da, aber das andre fehlt.'"

Ja," sagteDubslav,diese richtigen alten Com- pagniechirurgusse, die Hab' ich auch noch gekannt. Blutige Cyniker, jetzt leider ausgestorben . .. Und in solchem Psäfferschen Backofen wollen Sie sechs Wochen znbringen?"

Nein, Herr von Stechlin, nicht so lange. Bloß vier, höchstens vier. Denn es strengt sehr an. Aber wenn man nu doch mal da ist, ich meine in der Schweiz und da herum, wo sie stellenweise schon italienisch sprechen, da will man doch schließlich auch gern in das gelobte Land Jtalia hineingucken. Und da haben wir denn also vor, meine Frau und ich, von diesem Psäffers aus erst noch durch die Viamala Zu fahren, den Splügen hinaus oder aus irgend einen andern Paß. Und wenn wir dann einen Blick in all die Herrlichkeit hinein gethan haben, dann kehren wir um, und ich für meine Person Ziehe mir wieder meinen grauen Mantel an (denn für die Reise Hab' ich mir einen neuen Paletot bauen lassen) und kutschiere wieder durch Kreis Gransee."

Na, Spanholz, das freut mich aber wirklich, daß Sie mal 'rauskommen. Und bloß wenn Sie durch die Viamala fahren, da müssen Sie sich in acht nehmen."

Waren Sie denn mal da, Herr Major?"

I bewahre. Meine Weltsahrten, mit ganz schwachen Ausnahmen, lagen immer nur zwischen Berlin und Stechlin. Höchstens mal Dresden und ein bißchen ins Bayrische. Wenn inan gar nicht mehr weiß, wo man hin soll, fährt man eben nach Dresden. Also Viamala nie gesehen. Aber ein Bild davon. Im allgemeinen ist Bildersehen auch nicht mein Fall, und wen:: die Museums von mir leben sollten, dann thäten sie mir leid. Aber wie so der bare Zufall spielt, mal sieht man doch so was, und war da 'ne Felsenschlucht mit Fi­guren von einem sehr berühmten Menschen, der, glaub' ich, Bücking oder Böckling hieß."

Ah so. Einer, wenn mir recht ist, heißt Böcklin."

Wohl möglich, daß es der gewesen ist. Ja, sogar wahrscheinlich. Nun, sehen Sie, Doktor, da war denn also aus diesem Bild diese Viamala, mit einem kleinen Fluß unten, und über den Fluß weg lies ein Brückenbogen, und ein Zug von Menschen (es können aber auch Ritter gewesen sein) kam grade die Straße entlang. Und alle wollten über die Brücke."

Sehr interessant."

Und nun denken Sie sich, was geschieht da? Grade neben dem Brückenbogen, dicht an der rechten Seite, thut sich mit einem Male der Felsen aus, etwa wie wenn morgens ein richtiger Spießbürger seine Fensterladen ausmacht und Nachsehen will, wie's Wetter ist.

Wer an dieser Brücke da so von ungefähr 'rans- kuckte," fuhr Dubslav fort,das war nn freilich kein Spießbürger, sondern ein Lindwurm oder so was ähnliches aus der sogenannten Zeit der Saurier, also so weit Zurück, daß selbst der älteste Adel nicht gegenan kann, auch die Stechline mit eingeschlossen; und dies Biest, als der Zug eben den Fluß passieren wollte, war mit seinem ansgesperrten Rachen bis dicht an die Menschen und die Brücke heran, und ich kann Ihnen bloß sagen, Sponholz, mir stand der Atem still, weil ich deutlich sah, nu noch einen Augenblick, dann schnappt er die ganze Bescherung weg."

Ja, Herr von Stechlin, da hat man bloß den Trost, daß die Saurier, soviel ich weiß, seitdem ansgestorben sind. Aber meiner Frau will ich die Geschichte doch lieber nicht erzählen; die kriegt nämlich mitunter Ohnmächten. In Doktorhänsern ist immer was los."

Dubslav nickte.

Und nur das eine möcht' ich Ihnen noch sagen, Herr von Stechlin, mit der Digitalis immer so weiter, und wenn der Appetit nicht wieder kommt, lieber nur zweimal täglich. Und nie mehr als zehn Tropfen. Und wenn Sie sich unpaß fühlen, mein Stellvertreter ist von allem unterrichtet. Er wird Ihnen gefallen. Neue Schule, moderner Mensch; aber doch nicht zu viel davon (so wenigstens hoff' ich) und jedenfalls sehr gescheit. An seinen: Namen, er heißt nämlich Moscheles, dürfen Sie nicht Anstoß nehmen. Er ist aus Brünn gebürtig und da heißen die meisten so."

Der Alte drückte mit allem seine Zustimmung aus, auch mit dem Namen. Schon vor fünfzig Jahren habe er Moschelessche Musikstücke spielen müssen. Aber das wolle er den Jnsichtstehenden nicht weiter entgelten lassen.

Und nach diesen beruhigenden Versicherungen empfahl sich Sponholz und fuhr Zn weiteren Ab­schiedsbesuchen in die Grafschaft hinein.

-X-

Am zweitfolgenden Tage brachen die Sponholzschen Eheleute von Gransee nach Psäffers hin auf; die Frau, sehr leidend, war schweigsam, er aber befand sich in hochgradigem Reisefieber, was sich, als sie draußen aus den: Bahnhof angelangt waren, in einer immer wachsenden Gesprächigkeit äußerte. Mehrere Freunde (meist Logenbrüder) hatten ihn bis hinaus begleitet. Sponholz kam hier alsbald vom Hundertsten aufs Tausendste.Ja, mit nnserm guten Stechlin, mit dem steht es freilich so so . . . Barnch hat ihn auch gesehn und ihn verändert gefunden . . . Und Sie, Kirsten:, Sie schreiben mir natürlich, wenn der junge Bnrmeister eintritt; ich weiß, er will nicht recht (bloß der Vater will) und soll sogar von Hokuspokus gesprochen haben . . . Aber dergleichen muß man leicht nehmen. Unwissenheit, Verkennungen. Ueber so was sind wir weg, viel Feind' viel Ehr'. Nur der Alte drüben in Stechlin macht mir Sorge. Man muß aber hoffen; bei Gott kein Ding unmög­lich ist. Und zu Moscheles Hab' ich Vertrauen; ihn