Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1903) Goethe ; Theil 2
Entstehung
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Wir wissen über Goethe mehr als über Andere.

eigene Aufzeichnungen fast ganz zurück, aber es liegt eine unendliche Fülle von Berichten über ihn vor. Vielleicht giebt es keinen einzigen Menschen, bei dem das Material so reichhaltig wäre wie bei Goethe. Er selbst hat dazu mehr als alle anderen geliefert, und des­halb war es möglich, dass die ganz einzigartige bio­graphische Goethe-Literatur entstand. Es kommt nicht nur darauf an, dass der Mensch überhaupt schreibt, sondern vielmehr darauf, dass er über sich schreibt, sei es direct, sei es so, dass sein Subject im Ge­schriebenen erkennbar ist. Nicht nur sind Goethes Dichtungen lauter Bekenntnisse, wir haben ja seine Selbstbiographie, seine Annalen und Tagebücher, seine vielen Briefe und die Menge glaubwürdig überlieferter Aeusserungen über die eigene Person.

Wir haben eine grosse Zahl von Bildern, zwei(?) Gesichtsmasken, den Abguss seiner Hand, Hand­schriften aus allen Lebensaltern. Zu diesen Zeug­nissen erster Classe kommen die Aeusserungen der Anderen über Goethe. Das Ganze ist von den Ge­lehrten so durchgearbeitet worden, wie es in der menschlichen Geschichte wohl noch nie vorgekommen ist. Wo giebt es einen Menschen, über den wir so viel wüssten, wie über Goethe? Ein Leben lang und reich wie wenige, eine Berichterstattung wie nie zuvor. Wahrlich man sollte meinen, da müsste jede Neugier gesättigt werden. Und doch ist es nicht genug. Wie oft hat man über die Goethe-Forscher gespottet, die alle Zettelchen zusammentragen und über jeden Schafs­kopf, mit dem Goethe gesprochen hat, eine Biographie