Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1903) Goethe ; Theil 2
Entstehung
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Einleitung.

schreiben. Uns thun sie nicht zu viel. Mag hie und da etwas Ueberflüssiges mit unterlaufen, was schadet das? Der Versuch, ein grosses Menschenleben so genau zu durchforschen wie irgend möglich, ist an sich höchst lobenswerth, und er müsste Dem, der Individuenpsychologie treiben will, überaus willkommen sein, ganz abgesehen von der Neigung zu Goethes Person und von literarischen Interessen. Ach, wir wissen nicht zu viel von Goethe, sondern viel zu wenig. Gerade dieses merkwürdige Beispiel kann uns zeigen, wie schwer es ist, das Innere eines Menschen zu erkennen.

Goethes Leben wird durch die italienische Reise in zwei Hälften getheilt. Die erste ist weit wichtiger als die zweite, aber von der ersten wissen wir weit weniger als von der zweiten. Je älter Goethe wird, um so mehr wachsen die Nachrichten, aber das Um­gekehrte brauchten wir. Ganz ungenügend sind die Mittheilungen über die Form, d. h. Beschreibungen und Bilder lassen uns im Stiche, worauf später zurück­zukommen ist.

Aber auch über das Innere werden wir nicht so unterrichtet, wie wir möchten. Wir haben directe An­gaben von Goethe über seine Person, indirecte, d. h. aus seinen Werken erschlossene, und Erzählungen anderer Personen. Die Täuschung kann absichtlich oder unabsichtlich bewirkt werden. Zwar ist bei Goethe anzunehmen, dass er gegen sich immer wahr gewesen sei, aber er hatte Zeit seines Lebens eine mächtige Neigung zum Verkleiden, Foppen, zum Ge­

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