Einleitung.
die Sache am allerschwierigsten. Neigung und Abneigung fälschen, der Mangel an Verständniss übersteigt alle Grenzen, und die Beurtheilung der moralischintellectuellen Eigenschaften des Berichterstatters ist ein neues Problem. Wir werden sehen, wie gebildete Leute über die mit Augen wahrnehmbaren Dinge falsche, einander widersprechende Urtheile abgegeben haben, sollten sie über das geheime Innere besser geurtheilt haben?
Aber angenommen, das Material wäre vollständig ausreichend, so bliebe doch die allgemeine Schwierigkeit, aus vielen Einzelheiten das Wesentliche und den Zusammenhang heraus zu finden. Freilich im Gebiete der Form gäbe es diese Schwierigkeit nicht, denn das Wahrnehmbare lässt sich auch beschreiben, mag man
von dieser oder jener Stelle ausgehen. Wie aber soll man den inneren Menschen erkennen? Natürlich ist
diese Schwierigkeit bei jeder Biographie, bei jeder Personenschilderung vorhanden, die Leute haben sie von jeher gefühlt und haben sich mit ihr abgefunden, so gut, wie sie konnten. Auch bei Goethe fehlt es ja nicht an Versuchen, seine Persönlichkeit, seinen Charakter, oder wie man sonst sagen mag, zu schildern. Aber ich sehe nicht, dass hier oder anderswo eine erkennbare Methode diesen Versuchen zu Grunde läge. In Goethes Jugendzeit sprach man davon, man wolle das Porträt eines Menschen machen. Kestner z. B. entwirft das Porträt Goethes in Wetzlar. Er und Andere verfuhren dabei so, dass sie eine Reihe von Eigenschaften nannten, und die Reihe wurde bald