Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1903) Goethe ; Theil 2
Entstehung
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Einleitung.

dem Kerne meine, ist gar nicht zu sagen. Die popu­läre Vorstellung scheint deshalb, weil wir dadurch formell centrirt sind, dass wir alles auf unser Ich be­ziehen, anzunehmen, es gäbe auch sachlich ein Cen­trum, ein Innerstes des Menschen, von dessen Be­schaffenheit alles übrige abhinge. Aber die Erfahrung zeigt ein solches Centrum durchaus nicht. Auch Goethe deutet in seiner dunkeln Sprache darauf hin, wenn er sagt, im Grunde seien wir alle collective Wesen, und an anderen Stellen. Er selbst hat mit seinen Wahlverwandtschaften zuerst den Begriff der Seelenchemie eingeführt. In der That sollten wir uns dem Inneren gegenüberstellen, wie sich ein Chemiker zu einem zusammengesetzten Stoffe stellt. Manche neueren Psychologen treiben, nebenbei gesagt, auch Seelenchemie, lassen z. B. ein paar Empfindungen, die gar nichts Räumliches enthalten, sich verbinden und dadurch das Räumliche als eine chemische Verbindung entstehen. Solche verkehrte Seelenchemie meine ich freilich nicht. Der Weg muss der sein, dass man fragt, aus welchen Elementen besteht eine Seele, und wie ist aus ihnen diese Seele aufgebaut? Man muss also von der Voraussetzung ausgehen, das Innere sei aus elementaren Trieben zusammengesetzt, und die Beurtheilung des Individuum setzt Kenntniss der Allen zukommenden Elemente voraus. Diese Art von Seelen­chemie aber ist nichts anderes als der Weg Galls. Goethe hat Gall freundlich und verständnissvoll auf­genommen, wenn er auch damals schon zu alt war, um die neue Lehre ganz zu ergreifen, die gelehrten