Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1903) Goethe ; Theil 2
Entstehung
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Unvermeidbare Fehler,

immer wieder, aber im Einzelnen sind so grosse Ver­schiedenheiten da, die Zahl und die Entwickelung der sogenannten secundären Windungen ist so verschieden dass die Möglichkeit, der eine Mensch möchte Fähig­keiten haben, die der andere gar nicht hat, recht ein­leuchtet. Mag es so oder so sein, das ist auf jeden Fall sicher, dass Minima und Maxima vorkommen dass also practisch genommen einzelne Fähigkeiten hier verglichen mit ihrer Entwickelung dort gleich Null gerechnet werden können. Damit aber ist gesagt, dass der eine Mensch den anderen nicht ganz verstehen kann. Nur der, bei dem alle Fähigkeiten reichlich entwickelt wären, könnte Alle verstehen, er selbst aber könnte nur von Seinesgleichen verstanden werden. Hat Einer eine mässige Fähigkeit, so kann er zwar den Anderen, der dieselbe Fähigkeit in hohem Grade hat, nicht voll­ständig verstehen, aber er kann sich ihm ahnungs­weise nähern und sich, wie man sagt, ungefähr einen Begriff vom Anderen machen. Wenn aber Einer z. B. gar keine musikalische Fähigkeit hätte, so müsste er den von Musik Entzückten für wahnsinnig halten. Es ist ersichtlich, dass je mehr ein Mensch vom Anderen verschieden ist, die Möglichkeit des Verstehens um so mehr abnimmt. In einfachen Verhältnissen verstehen Alle einander ziemlich gut. Mit der wachsenden In­dividualisirung werden wir einander fremd, und je eigenartiger ein Mensch ist, um so räthselhafter wird er sein und bleiben. Daher müssen in jedem hervor­ragenden Menschen für die Anderen unauflösbare Reste sein. Der Eine wird, je nach seiner Organi­