Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1903) Goethe ; Theil 2
Entstehung
Seite
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Beurtheilung von Goethes Stirn nach Gall.

Stirn gleich haben, die Stirn kann sich doch nicht verändern, geschweige denn vom 509. bis zum 68. Jahre um mehr als 1 cm erhöhen! Auch jetzt noch stehe ich kopfschüttelnd vor den beiden Masken und weiss mir nicht zu helfen.

Beurtheilt man die Stirn Goethes in Galls Sinne, so findet man am stärksten ausgeprägt das Organ der sagacit& comparative(Vermögen, das Aehnliche in den Dingen zu erkennen, Urtheilskraft). Die mächtige Ent­wickelung dieses Organs war auch Gall selbst am meisten aufgefallen. Sodann ist das Organ des Dichter­geistes stark entwickelt, besonders links. Gross ist auch das Organ des Wohlwollens. Mässig stark sind Mimik, Bausinn, Musiksinn. Gering der Sinn für ab­stractes Denken und der für Witz. Ganz gering der mathematische Sinn. Dagegen wieder ziemlich stark Farbensinn, Ortsinn, Personen- und Wortgedächtniss.

Nun möchte man gern etwas über den weiteren Kopf wissen, aber über ihn können wir nach der Maske nicht urtheilen. Auf die Büsten darf man gar keine Rücksicht nehmen, denn die Bildhauer haben keine Ahnung von der Bedeutung der Sache, und die behaarten Köpfe sind bei ihnen Phantasiestücke. Die wunderlichen Aeusserungen Merians über Goethes Kopf kann man schwer deuten. Wenn er sagt, der Kopf spitze sich nach oben hinten zu, so meint er vielleicht, die mittleren Theile der Scheitelbeine seien hoch gewölbt gewesen. Von den Bildern kann man nur Jagemanns Zeichnung in Betracht ziehen, die viel­leicht das zuverlässigste Bild des alten Goethe ist;

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