Geschlechtstrieb,
sei, dass gehässige Andeutungen, wie die Herders, zurückzuweisen seien.*)
Dagegen war offenbar der Geschlechtstrieb bei Goethe in dem Sinne ausserordentlich stark, dass er nicht ohne Weiber leben konnte. Wir finden da alle Grade von ruhiger Freundschaft bis zu leidenschaftlicher Verliebtheit. Wenn jedoch von Freundschaft geredet wird, so hat man immer etwas erotisches Gewürz hinzuzudenken, denn sobald wie das Weib keinen Reiz mehr ausübte, zog sich Goethe zurück, oder er änderte doch seine Art, wenn seine Güte oder seine Dankbarkeit oder andere Rücksichten ihn zur Fortsetzung des Verkehres veranlassten. Aeltere Damen fanden ihn manchmal langweilig, und er sagte selbst, dass er sich mit ihnen gar nicht gern befasse. Die eigentlichen Liebschaften traten, wie es früher erörtert worden ist, periodisch auf, aber kleinere Neigungen fehlten fast nie ganz, und auch erloschenen Leidenschaften folgte noch eine Zeit der Zärtlichkeit. Der Drang, seine Neigung herzlich zu äussern, scheint bei Goethe unerschöpflich zu sein. Am merkwürdigsten sind die Briefe an die Stein. Er überschüttet sozusagen seinen Gegenstand mit Blumen, bis die Leute glauben, er sei wirklich ein Rosenhügel. In den meisten Fällen hatte Goethe von seiner Liebe nichts; welcher Instinct trieb ihn also dazu? Er brauchte zu
*) Vielleicht ist als eine Art von Ventil der Sinnlichkeit die recht auffallende Vorliebe für derbe, ja zuweilen etwas unfläthige Ausdrücke anzusehen. Sie ist zwar nur zeitweise vorhanden, kommt aber doch immer wieder.