Das Geistige.
nächst einen Spiegel. Am 8. November 1777 schreibt er an die Stein, er habe wunderliche Gedanken gehabt,„unter anderem ob ich Sie auch wirklich liebe oder ob mich Ihre Nähe nur wie die Gegenwart eines so reinen Glases freut, darin sichs so gut sich bespiegeln lässt.“ Der Verkehr machte ihn productiv, aber der männliche Verkehr konnte nicht soviel leisten wie der weibliche, weil zur dichterischen Productivität eine leichte erotische Erregung nöthig ist. Das Weib gab ihm nichts, aber er konnte mehr geben, wenn er das Weib vor sich hatte. Die Verliebtheit des Dichters ist also ein Kunstgriff der Natur; er ahnt zuweilen den Zusammenhang, giebt sich aber doch meist unwillkürlich dem Triebe hin. Die Weiber machen sich um die Poesie verdient, nicht wenn sie dichten(Goethe hasse die dichtenden Frauen, sagte Caroline v. Egloffstein), sondern wenn sie den Dichter lieben. Die kleine Becker wollte Goethen gern besitzen, er fühlte sich „leidenschaftlich hingezogen“, beherrschte sich aber und liess sich nichts merken. Trotzdem verdanken wir der Verliebtheit der Kleinen die schöne Elegie „Euphrosyne“. Man hat von Goethes Treulosigkeit gesprochen. Er war treu, soweit wie ein redlicher Mann in seinen Verhältnissen es sein konnte. Man könnte höchstens sagen, er hätte sich nicht so leicht hingeben sollen. Aber dann wäre er eben nicht Goethe gewesen und hätte nicht das leisten können, was er geleistet hat. Ist es nicht besser, dass um der Thränen willen, die ein paar Frauenzimmerchen vergossen haben, Hunderttausende erfreut worden sind? Ueberhaupt giebt