Goethe und Gall.
wie ich es noch nirgendwo gesehen hatte. Nun Alles um Vieles zurückgeschwunden. Es geht mit unserem Gehirne, wie mit den Brüsten der Weiber und wenn’s einmal zum Lumpen wird, so hat Kraft und Grazie ein Ende.“
Rollett meint, es könnte die nicht ganz lebensgrosse Büste von Posch in Berlin gemeint sein.—
Was ist nun bei alledem herausgekommen? Im Grunde nicht viel. Gall hat sich an Goethes schönem Kopfe erfreut, aber nichts deutet darauf hin, dass Goethe stärker auf ihn eingewirkt hätte. Gall war eben derart von seiner Thätigkeit erfüllt, dass er wohl geben, aber nicht nehmen konnte.
Grösser war die Wirkung Galls auf Goethe. Sowohl durch Galls Gehirnanatomie, wie durch seine Schädellehre fühlte sich Goethe gefördert. Er hatte bei Loder die gewöhnliche Art der Gehirnzerlegung kennen lernen, d. h. Abtragung von oben her und Benennung der nach einander bloss gelegten Theile. Begreiflicherweise musste ihn Galls Art sehr ansprechen, denn die herkömmliche Manier, die das Gehirn,„wie einen Käse“ behandelte, gab keinen Aufschluss über den Zusammenhang der Theile, während Gall, dessen Vorgänger Willis gewesen war, vom Rückenmarke ausgehend den natürlichen Faserzügen folgte und so den Bau des Organes klar machte. Auch die Auffassung Galls, dass das Gehirn die Blüthe des Rückenmarkes, sozusagen ein entfaltetes und gesteigertes Rückenmark sei, musste Goethen sehr gefallen, weil sie sich mit seiner Ansicht traf, nach der der Schädel aus einer Anzahl von Wir
