Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1903) Goethe ; Theil 2
Entstehung
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Galls Bedeutung für Goethe.

beln entstanden ist. Beide hatten eben im Gegen­satze zu den Gelehrten ihrer Zeit das Richtige erfasst, und deshalb gab es ein erfreuliches Zusammentreffen. Immerhin wird Goethe nicht allzutief in die Gehirn­anatomie eingedrungen sein, denn seine Liebe war nun

einmal der Osteologie zugewandt.

Zur Schädellehre aber war Goethe durch Lavater und die Beschäftigung mit der Physiognomik gekommen. Zwar hatte er die Physiognomik liegen lassen und war auf die vergleichende Anatomie zurückgegangen, aber dabei spielte, wie er selbst sagt, der Pik auf den Propheten eine wichtige Rolle; das Princip der Physiog­nomik, die Möglichkeit, aus dem Aeusseren auf das Innere zu schliessen, hat Goethe immer festgehalten. Es musste ihm deshalb Galls Kephaloskopie von vorn­herein sympathisch sein. Galls Darstellung leuchtete ihm ein, und wenn er auch im Einzelnen Vorbehalte machte und Gall nicht überallhin folgen mochte, so war er doch überzeugt, dass Gall auf dem richtigen Wege sei. Seine Vorstellung von den Gehirnorganen war, wenn Laubes Mittheilungen richtig sind, etwas wunderlich, da er sich danach gedacht hat, sie möch­ten sich durch directe Faserzüge in das Rückenmark hinein fortsetzen, aber darauf kommt es weniger an. Dass man aus der Gestaltung des Schädels auf die Gestalt des Gehirns und somit mittelbar auf die see­lischen Fähigkeiten schliessen könne, das glaubte er, und daran hat er, wie es scheint, immer festgehalten. Aber freilich, über eine Art von kühler Anerkennung kam er nicht hinaus. Dass Galls Lehre eine Um­