Teil eines Werkes 
Bd. 3 (1903) Goethe ; Theil 2
Entstehung
Seite
256
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Anmerkungen zuGoethe und Gall,

gegründete der Gallschen Hypothese hinlänglich. Die einzelnen Organe selbst hier durchzugehen, würde zu weit führen; auch findet man eine Fülle treffender Bemerkungen dagegen bey den Vfn. von No. 7 und 8. Gall ist zur Annahme aller dieser Organe auf dieselbe Weise gekommen; er bemerkte an dem Schädel eines Menschen, der sich durch irgend etwas auszeichnete, eine Erhöhung; er schloss nun auf einen darunterliegenden stark ent­wickelten Hirntheil, durch welchen der Schädel an der Stelle ge­hoben sey, und glaubte in ihm das Organ jener Eigenschaft zu finden. Er versichert, dass er viele Menschen verglichen habe, und das wird gern zugegeben; er kann auch bey vielen Menschen von einer gewissen Eigenschaft jenen Bau bemerkt, und im nega­tiven Fall jener Eigenschaft, statt einer Erhöhung eine Vertiefung bemerkt haben: berechtigt das aber je zu allgemeinen Schlüssen? Viele Menschen, die sich in einem und demselben Dinge stark auszeichnen, trägt die Erde nicht zugleich, wenigstens nicht in der Art, dass Ein Mann sie in Einer Stadt gehäuft fände. Die vergleichende Anatomie kann hier nichts sagen, wenn auch da­von abgesehen wird, dass die Erhöhungen und Vertiefungen, die äusserlich an ihrem Schädel bemerkbar sind, mit der inneren Tafel fast nie parallel laufen. Denn die Eigenschaften der Thiere und Menschen sind selten zu vergleichen, und von Tugenden z. B. kann bey jenen nie die Rede seyn. Das Gehirn ausgezeich­neter Menschen ist fast nie untersucht, und hat auch nichts ge­zeigt, worauf zu bauen wäre. Alles hängt also von der Schädel­form ab; wie trüglich aber diese sey, weiss jeder Anatom. Zu jedem affirmativen Fall, den Gall angiebt, um seine Hypothese zu rechtfertigen, lassen sich andere anführen, die ihr im Wege stehen; er ist nicht im Stande, sie zu leugnen, sondern sucht sich nur durch die obengenannte Anlage, die entwickelt und nicht entwickelt seyn kann(wie es der Schädel erfordert), zu decken. Nähme man aber wirklich mit Gall Hirnorgane an, so wäre es doch nicht möglich, die seinigen anzunehmen: denn es ist kein einziges darunter, gegen welches sich nicht die triftigsten Einwürfe darböten. Seine Anhänger(servum imitatorum pecus) sagen, wenn man etwas an seinen Organen auszusetzen hätte, müsse man mit der Natur hadern: allein die Herren sollten be­denken, dass es etwas anderes sey, etwas in der Natur finden, oder der Natur etwas aufbürden. Nur das letztere passt auf