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Die erste Rabbinerversammlung und Herr Dr. Frankel / von Dr. Sam. Holdheim
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Anſicht der RV. mit den Sympathien des Volkes im Wider­ſtreite ſich befinden. Dann ſoll darauf gewirkt werden, daß das Volk überzeugt ſei, daß die RV. feine religiöſen Gefühle theile; wie aber, wenn die RV. des Volkes religiöſe Gefühle nicht theilt, wenn jene die religiöſen Gefühle des Volkes in ſehr vielen. Fällen für Vorurtheile und Aberglauben hält ſoll ſie deſſen ungeachtet dennoch das Volk vom Gegentheil zu überzeugen ſuchen? Endlich ſoll das Volk überzeugt werden, daß die Religion, wie ſie im Volke lebt, von der RV. ver­treten werde. Ich frage nun wiederum: wie aber, wenn das Gegentheil der Fall iſt? Wenn die RV. die Religion, wie ſie im Volke lebt, nicht vertreten kann, nicht vertreten darf? H. F. ſtellt ſeine Sätze hin, als wären ſie Axiome, die nicht zu bezweifeln ſind. Er iſt von der factiſchen Gewißheit des Gegentheils ilberzeugt und weiß, daß die RV. von ganz andern Religionsanſichten ausgegangen ſei, als die des H. F. und welche er im Volke lebend wiſſen will. Statt dieſe geradezu zu prüfen und zu widerlegen, ſetzt er lieber voraus: eine RV. darf keine andere Religionsanſichten haben, als die des H. F. oder des Volkes. Das ſind unumſtößliche Vorderſätze. Dann wird lediglich zum Schein noch unterſucht, ob die in Braun­ ſchweig verſammelt geweſenen Rabbiner wirklich ſolche Anſichten geäußert, die mit denen des H. F, vulgo des Volkes überein­ſtimmen, und zeigt ſich, daß dies nicht der Fall geweſen, ſo wird ohne Weiteres über die RV. das Verdammunggsurtheil ge­ſprochen. Aber müſſen nicht vorerſt die Vorderſätze unterſucht werden? Iſt es denn ſo unlengbar wahr, daß eine Verſamm­lung von Rabbinern vor Allem um das Vertrauen des Volkes, der unwiſſenden Menge, zu buhlen habe, daß ſie auf der Wage der ſtrengſten Gewiſſenhaftigkeit jeden ihrer Anſprüche abwägen müſſe, ob er nicht von der Religion, wie ſie im Volke lebt, abweiche? Man ſieht es allzu deutlich, wie H. F. es nur auf Täuſchung der Menge abſieht, und es hält ſchwer, den Un­willen in ſich niederzukämpfen, den ſolch ein abſichtliches Blend­werk einflöſſen muß. Läßt ſich gegen die Religion, wie ſie im Volke lebt, nichts einwenden, oder lebt wirklich die Religion im Volke, wozu war denn eine RV. überhaupt nothwendig? Der Zuſtand muß ja ein höchſt befriedigender ſein, und vor Allem hätte H. F. fragen müſſen, wozu ſeid ihr gekommen? Warum ſeid ihr nicht eben ſo ruhig zu Hauſe geblieben wie ich? Aber die verſammelten Rabbiner ſprachen es ja ein­müthig vor allen Berathungen aus: Das Judenthum ſei