Heft 
(1956) 4
Seite
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WILLI WESTERMANN

ahtweilte

in der Prignitzei Elbniederung

An unserem kleinen Ort Cumlosen liegt ein kleiner See, besser beschrieben, ein Teich. Durch die allmähliche Verlandung hat er an Umfang sehr ein­gebüßt. Heute ist er von mannshohen Schilf- und Rohrdickichten und gelben Mummeln fast zugewachsen. Er ist erfüllt von dem Gequake und Geknurre der Frösche, von dem Meckern der Himmelsziege, von den Lockrufen des Bleßhuhns, von dem melodischen Ruf des Brachvogels und von dem Gequarre der Stock- und Krickente. Wir wollen auch nicht die putzige Rohrammer vergessen, die bis spät in den Abend noch das Karre-kiet-kiet erschallen läßt. Es ist der ideale Tummelplatz aller Wassertiere, insbeson­dere unserer Vogelwelt.

Am 25. April 1954 stehe ich hier am Schilfrand und beobachte die Rohr­weihe, die vor einigen Tagen aus dem Süden heimgekehrt ist. In dichtem Schilfgürtel, nicht weit von dem Ufer, hat sie schon seit Jahren ihren Horst. Sie segelt, schwebt über dem See, wunderbare Flugspiele darbietend. Sie wirft sich mit wildem Geflatter aus der hohen Luft in die Tiefe und stürzt mit erhobenen Flügeln in das Rohrdickicht, bleibt eine Weile dort und erhebt sich wieder nach oben, segelt, schwebt wieder über dem See, über­schlägt sich seitwärts und kopfüber mehrmals und steigt wieder. .Die Spiele wiederholen sich, bis sie schließlich im Ruderflug nach dem gegen­überliegenden Ufer auf einen Koppelpfahl streicht. Welche Kraft, welche Kühnheit, welche Angriffslust bringt dieser Rohrweih bei seinem Balzflug zum Ausdruck.

Am 1. Mai sind beide über dem See, segeln, kreisen, fallen jenseits in das Rohrdickicht. Nur kurze Zeit. Ein Partner erhebt sich mit mächtigen Flügelschlägen, schraubt sich empor, kreist über der wahrscheinlichen Niststelle und fällt mit hochgestellten, flatternden Flügelschlägen in das Rohr- und Schilfgestrüpp. Kurz darauf ein klägliches, hilfloses Vogel­geschrei.

Wir schreiben heute den 9. Mai. Der Horst ist fertig. Im wogenden Schilf­wald, nicht weit vom Ufer, auf moorigem, sumpfigem Grund hat das Weibchen aus Ästen, Gräsern und Schilf den Horst erbaut.

Am 16. Mai finde ich im Nest das erste Ei. Die Rohrweihe steigt auf, segelt unter Ausnutzung der Winde immer höher, wiegt sich sanft nach links und rechts und verschwindet am Horizont.

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