Frömmigkeit der Bürger. Die neue Schucke-Orgel müß sich mit ihrem Äußeren der „modernen Sachlichkeit“ mühen, ihr Bild in diesen altehrwürdigen und stilgebundenen Rahmen hineinzupassen. Jede Zeit hat eben ihre Formen. Unsere alten Kirchen, die Jahrhunderte überlebt haben, bekamen vielfach in jeder Epoche etwas dazugetan. So sind sie oft ein Spiegelbild der sich wandelnden Ausdrucksformen und Geschmacksrichtungen.
Der Trappenberg hgt jetzt neben seinem wuchtigen, aus Prignitzer Findlingen und Backsteinen errichteten Aussichtsturm in der vorbildlichen Anlage einer Freilichtbühne, die geschickt in die Landschaft hineingefügt wurde, eine weitere Anziehungskraft für alle Heimatfreunde erhalten. Von der Bergeshöhe geht der Blick hinunter zur Stadt und im Vordergrund zu dem aus dem Chaos der Zerstörung neu erbauten schmucken Bahnhof. Er geht aber auch hinein in das Land und weit in die Prignitz mit den reichen Feldern, den grünen Wäldern und mit den heraufgrüßenden Dörfern der Heimat.
Beveringen Hegt da, um das 1424 die „Schlacht“ gegen den land- und beutehungrigen mecklenburgischen Herzog Christian von Werle tobte, und in welcher auf Seiten def Brandenburger der weitbekannte Minnesänger Frauenlob ebenso gewaltig sein Schwert führte, wie er sonst die Herzen der Männer und Frauen durch seine Liebeslieder zu rühren wußte. Altkrüssow kann mit Kirche und Kapelle und dem einst wundertätigen Bildnis der St. Anna Selbdritt erzählen von seiner Glanzzeit als mittelalterlicher Wallfahrtsort, und viele bis in die evangelische Zeit zurückgebliebene Krücken konnten berichten von der „Wunderkraft“ dieser Stätte, der dann durch das „Wilsnacker Blut“ der Rang abgelaufen wurde.
Als nächste Station ist Heiligengrabe ein Höhepunkt unserer Fahrt. Es ist heute am Sonntag alles so besonders sauber und festlich dort. In der Klosterkirche sitzen dicht gedrängt die Diakonissen in ihren schwarzen Gewändern und den lockeren, leuchtend weißen Hauben. In Park und Garten und um den runden Teich ist alles in voller Pracht. Die Beete sind gepflegt und die Steige geharkt, in den alten Klosterstuben haben in Behaglichkeit und Sauberkeit die „Schwestern“ ihren bestens betreuten hei- mat- und elternlosen Kindern ein geborgenes Zuhause eingerichtet. Die Kapelle zum heiligen Grabe erzählt als Blutskapelle die 700 Jahre alte Geschichte des Hostienraubes, sie berichtet von den ersten Wallfahrern zu dieser wundertätigen Hostie, von den ersten Nonnen, die der Zisterzienser- Orden 1289 als Helferinnen herschickte, von den Bauten, die dann bald durch die Meister dieses Ordens hier auf dem Boden unserer Prignitz errichtet wurden. Wir gehen durch den Kreuzgang, der den stillen Innenhof, die letzte Ruhestätte der Nonnen, umschließt, wir hören von manchem Schicksal, das sich hier abspielte, und wir erleben auch den zähen Kampf,
294