Heft 
(1957) 10
Seite
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als reine Handarbeit in nichts der Phantasie, der Gediegenheit und dem Geschmack des überlieferten Kulturgutes der mittelalterlichen Nonnen­kunst nach.

Der Bus rollt weiter. Die neue Zentralschule in Techow ist vorbildlich und des Besehens wert. Rechts, kurz vor Wittstode, liegt der Höhenzug der Scharfenberg e. Wir lassen den 4. Oktober 1636 lebendig werden, an dem es hier widerhallt von Kampfgetöse und Kriegsgeschrei. Die kaiser­liche Armee hatte sich nach Aufgabe ihres Sommerlagers bei Perleberg mit 24 000 Mann hier oben verschanzt, die Schweden unter Baner griffen an und stürmten. Die Schlacht bei Wittstock, beschrieben vom damaligen Mitstreiter Grimmelshausen, wurde zu einer der erbittertsten und blutig­sten Auseinandersetzungen des unseligen deutschen Krieges zwischen Katholiken und Protestanten.

Wittstock, das Rothenburg unserer Prignitz, ist die einzige Stadt un­serer Heimat, die noch rundherum ihre Stadtmauer mit Wiktürmen und Tor und Wallanlagen erhalten hat. Diese mächtige Befestigungsanlage zeugt noch heute von der unvorstellbaren wirtschaftlichen Kraft unserer mittel­alterlichen Städte, die damals oft nicht mehr als 2000 bis 3000 Einwohner hatten. Auch das Rathaus erwuchs aus dieser Kraft, ebenso die Anzahl der Kirchen und Kapellen, von denen heute das mächtige St. Marien mit seinem patinagrünen Turmdach und seinen schönen Portalen und das kleinere Heiligegeist-Gotteshaus noch da sind. Der Havelberger Bischof legt um 1300 seinen Amtssitz von Havelbergs Höhen hier hinauf zwischen Dosse und Glinze, um so von der Peripherie seines gewonnenen und christiani­sierten weiten Herrschaftsgebietes mehr in das Zentrum zu rücken. Reichste Entfaltung in höfischem Glanz und in baulicher Pracht erlebte diese Witt- stocker Residenz um 1400, besonders unter der Herrschaft des hochgelehr­ten und feinsinnigen Johann Wöpelitz, des Doktors und Magisters der Sorbonne, dem wir ja im wesentlichen auch die Wilsnacker Wunderblut- Kirche und den prachtvollen Lettner im Havelberger Dom, dem einzigen rechts der Elbe, verdanken. Die Machtansprüche des gewalttätigeren Bischofs Wedego Gans aber, der lieber das Panzerhemd trug als sein geist­liches Gewand, lieber das Schwert führte als seinen Hirtenkrummstab, der sich auch nicht scheute, brutal ein schwangeres Weib von den Hufen seines Streithengstes zertreten zu lassen, machte den freien Bürgern der Stadt um 1430 viel Ärger und mancherlei Sorge. Als 1548 mit dem Ableben des letzten Bischofs der Protestantismus einzog, da war es mit Pracht und Glanz der Residenz vorbei. Der Dreißigjährige Krieg tat an den Gebäuden das übrige, und heute kündet nur noch neben den umgebenden Mauern der trutzige Amtsturm von einstiger Blütezeit. Zu seinen Füßen und ge­borgen unter der hohen Stadtmauer ist in unserer Zeit hier die Freilicht­bühne entstanden, die im stillen Winkel und im historischen Rahmen einen geeigneten und würdigen Platz fand. Jenseits der Stadtmauern abei

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