Heft 
(1957) 2
Seite
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wieder Abend wurde, doch noch eine zünftige Richtekrone den Turm zierte, und daß es dann abschließend auch noch ein sogar sehr zünftiges Richtefest gab.

Die Lehre dieser Geschichte dürfte sein, daß man alte Sitten und Gebräuche doch immer recht achten, ehren und pflegen soll. Sie sind immer sinnvoll und aus einem schönen, reichen Volksempfinden entstanden. Sie würzen die Dinge des Lebens und selbst des werkenden Alltags, und sie geben man­chem nüchternen Vorgang festlichen Glanz. Viele dieser Bräuche sind tot, vor allem solche, die die Arbeit begleitet haben. Die Maschine hat ihnen den Garaus gemacht. Achten wir darauf, daß die fortschreitende Mechani­sierung und die wohl damit verbundene Tendenz des Jagens nicht auch noch die letzten tötet und damit die Dinge des Gemüts und der sinnvollen Freude immer mehr aus unserem Leben verschwinden läßt.

Zweitens dürfte man aus dieser Geschichte wieder einmal erkennen, daß mit einem rechten Humor alles leichter geht, und daß unter der Sonne der Heiterkeit die Dinge besser gedeihen, als es unter Zank und Streit möglich wäre. Auch das kann man sehen, daß Aufgeschobenes niemals Aufgeho­benes zu sein braucht.

Als etwas recht Kostbares aber kann man in dieser Geschichte spüren, daß manche verfahrene Sache ohne unser liebes Platt doch wesentlich komplizierter erscheinen würde. Wie hätte die hochdeutsche Sprache es fertigbringen können, hier so treffend zu beanstanden und so drastisch und doch zugleich einrenkend, ohne Stachel und Spitze, zu vermitteln. Wie bieder, anheimelnd und hausbacken klingt das heimatliche Platt! Und wie löst es, trotz aller oft durchklingenden Derbheit in vielen Dingen sofort ein Leuchten und Schmunzeln aus, weit eher, als die vornehme, in ihrem Gehabe oft geziert 'dahertrabende hochdeutsche Schwester es ver­möchte. Wie verschönt es so unser Leben und läßt die Verbundenheit von Mensch zu Mensch sehr viel inniger und herzlicher sein. Tun wir das unsrige, auch der Mundart ihren Platz im nationalen Kulturerbe unseres Volkes zu sichern!

In unserem Dörflein steht nun seit Wochen wieder der Turm hoch und festgefügt über dem Häuflein der sich um ihn drängenden Häuser, Scheu­nen und Ställe. Wenn die Einwohner an ihm Vorbeigehen, .schauen sie zu ihm hinauf, freuen sich an ihm und freuen sich wohl auch der Geschichte seines Richtefestes. Aber auch dieFremdlinge, die in das Dörflein kom­men, werden es nach dem Lesen dieser Geschichte tun. Und der Fremdlinge sind, besonders zur schönen Sommerszeit, nicht wenige, denn das Dörflein liegt idyllisch am Stepenitzstrand und am Bergeshang, mitten in der lieb­lichen Landschaft, die der Volksmund im heimatlichen Stolz dieLüb- zower Schweiz nennt.

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