Heft 
(1957) 2
Seite
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Das also war des Pudels Kern! Da war der Aerger der Zimmerleute ver­ständlich und auch die originelle Idee, sich so zurevanchieren. Das war ja fast wie eine dann und wann auf dem Dorfe üblichegüste Hochzeit, bei welcher sich auch nicht beachtete alte Gepflogenheit und nicht erfüllte berechtigte Erwartung auf so derbe und humorvolle Art zu rächen pflegt! Solch etwas Köstliches war hier auch geschehen. Alles lachte. Nur unser Ältester war nicht zu beruhigen. Er kam jetzt erst richtig in Fahrt. Er nahm dieRichtekrone und feuerte den Besen, ihn fast mit dem klassischen Goethe-Zitat der angemaßten Funktion entkleidend:In die Ecke, Besen! Seis gewesen!, voll Wucht in die dunkle Turmkammer. Und voll Groll erklärte er dabei, daß dieseRichtekrone eine Blamage und eine Schande für das ganze Dorf sei, daß man sich damit zum Gelächter rund herum machen werde, und daß er sich als der verantwortliche und beauftragte Bauherr ganz persönlich gekränkt und beleidigt fühle!Dett kann ick nich up mi Sitten loten!

Doch mit der Zeit glätten sich ja auch die bewegtesten Wogen. Wenn er sich genügend Luft gemacht hat, verraucht der Zorn. In der dunklen Nacht, wenn sich die Konturen runden und ihre Härten verlieren, ist man zudem oft viel weitsichtiger als am hellsten Tage, und wenn in solchen Stunden, der Besinnung die nötigen geistigen Getränke dazu kommen, ist auch die rechte geistige Erleuchtung bald da. So gelang es denn, gemeinsam einen guten Plan zu schmieden und zwar nach der Devise: auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil! Und nach der Regel der Skatspieler, zu welcher Zunft sie fast alle gehörten: wer reizt, muß es sich gefallen lassen, daß er Kontra kriegt! Der Plan wurde prompt noch in 'der Nacht in die Tat umgesetzt. Danach strebte man befriedigt dem häuslichen Malepartus zu, schob sich in die heimische Lagerstatt ein und entschlummerte sanft in der Spannung, was wohl der morgige Tag bringen werde.

Als am nächsten Tage in der Früh die Zimmerleute wieder zur Stelle waren, um die Latten des Daches und die Schalung der Turmkleidung zu nageln, sahen sie gleich, daß ihr Besen verschwunden war. Als sie dann aber den Turm bestiegen, begrüßte sie oben als erstes wieder ihr Brett­chen, nur daß es diesmal mit der Rückseite nach vorn festgeheftet war. Und von der ihnen entgegerileuchtenden, bisher unbeschrieben gewesenen Fläche kam ihnen als Kontra die Antwort auf ihre gestrige Anklage. Da stand: * 1

Harn jit Mul upmokt, harn ji ok wat kregen!

Unsere biederen Zimmerleute lasen das und guckten sich dann gegenseitig überrascht und schließlich immer mehr schmunzelnd an: So ist das gemeint 7 Na, das könnte man ja nachholen! Das geschah, und es darf ohne weitere Verzögerung hier nun gesagt werden, daß, als es an diesem Tage

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