Heft 
(1958) 3
Seite
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Der steigende Reichtum der Stadt hat in der Kirche einen dauernden, weit­hin sichtbaren Ausdruck gefunden. In dem Maße, wie der Wohlstand stieg, erweiterte man den Plan des um 1250 begonnenen Kirchenbaues mehrmals noch während der Bauarbeiten. Als das Gotteshaus eben fertig war, folgten wieder Um-, Erweiterungs- und Ausbauten. So kann man an unserer Kirche bis 1500 fünf Bauzeiten unterscheiden. Noch heute zeugt das für die kleine Stadt verhältnismäßig große und hohe Kirchendach, neben dem die kleinen Häuser wie Küchlein um die Henne geschart liegen, von der einstigen Bedeutung des Ortes. Als 1560 das Salzmonopol erlosch, versiegte damit eine wichtige Quelle des städtischen Wohlstandes.

Wie einst durch den Salzhandel, wurde Wusterhausen später durch seine Schuster bekannt, deren Gilde um 1500 schon eine der angesehensten war. Gemeinsam mit den Tuchmachern besaßen die Schuster eine Loh- und Walkmühle im Kampehler Tor, die an der Stelle des Hauses Karl-Marx- Straße 19 stand. DieSchusterdosse, die diese Mühle trieb, ist heute zu­geschüttet. Die einst darüber führende gewölbte Chausseebrücke liegt heute noch, allerdings überpflastert, im Zuge der Karl-Marx-Straße. Neben dieser Mühle sorgten noch mehrere, ebenfalls an der Schusterdosse sitzende Lohgerber dafür, daß den Schustern das Leder nicht ausging. Im vorigen Jahrhundert nahm das Schustergewerbe bei uns einen beachtlichen Auf­schwung, um während der Gründerzeit, also nach 1870, seine volle Blüte zu erreichen. 98 selbständige Schuhmachermeister gab es damals in unserem Städtchen, das deshalb den ScherznamenSchusterhausen erhielt.

An der dem Platz zugekehrten Wand des Eckhauses im Südosten der Schiffahrt meldet heute noch ein Schild wichtig, wenn auch unorthogra­phisch, daß sich hier eineSchuh & Stiefel-Fabrick befand. Auf der anderen, in der Thälmannstraße gelegenen Wand des Eckhauses weist ein großer gemalter Stiefel darauf hin, daß die Wusterhausener Schuster derbe Arbeitsstiefel herstellten. Die Stiefel würden alljährlich mit Fuhrwerken zur Messe nach Leipzig geschafft. Nachdem 1844 die Berlin-Hamburger Eisenbahn gebaut war, steckten die Meister ihre Stiefel in große Säcke und fuhren damit von Neustadt auf der Bahn nach Berlin. Größere Betriebe verpackten die Stiefel in kofferähnlichen Holzkästen, die etwa 1 % Meter lang und breit und etwas über 1 Meter hoch waren.

Ein Fuhrunternehmer beförderte die vollen Kästen von der Schiffahrt aus nach Berlin, während die Meister bequem mit der Bahn nachfuhren.

Spürt man dem Leben unserer Schuster eingehender nach, so erkennt man wieder einmal, wie falsch und verlogen das beliebte Wort von derguten alten Zeit ist. Oft fehlte es den Schustern an dem nötigen Geld für die

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