Bahnfahrt. So schoben sie denn ihre Stiefel auf der Schubkarre nach Berlin. Um den Fahrpreis geht es auch in der folgenden wahren Geschichte. Als die Schuster mit ihren Stiefeln nach Neustadt unterwegs waren, um sie nach Berlin zu bringen, wettete Meister Hoffmann mit seinen Kollegen um drei Taler, daß er ohne Fahrkarte durchkommen würde. In den Zug kam er ohne Fahrschein, es gab damals noch keine Sperren. Die Kollegen warteten gespannt auf den Schaffner, der es dem Hoffmann schon zeigen würde. „Die Fahrkarten bitte!“ Hoffmann fuhr seelenruhig in die obere Westentasche: „Hab doch mal ein Billjettchen gehabt!“ Dann durchsuchte er umständlich die untere: „Hab doch mal ein Billjetchen gehabt!“ So ging er langsam und ruhig alle Taschen durch, und ihrer waren früher in einem Männeranzug nicht wenige. Dazu murmelte er fortwährend: „Hab doch mal ein Billjettchen gehabt!“ Dann kam der Stiefelsack dran. Nachdem er ihn umständlich geöffnet hatte, suchte und kramte er darin herum. „Ja, das hilft nicht, ich muß ihn ausschütten!“ Die Stiefel kollerten im Abteil herum. Jeder kam einzeln heran. Zunächst versuchte er auszuschütten, was etwa drin sein könnte. Dann drehte er ihn um, fuhr mit der Hand hinein und durchsuchte sein Inneres gründlich. Dazu das fortwährende eintönige Murmeln: „Hab doch mal ein Billjettchen gehabt!“ Das kann kein Mensch auf die Dauer ertragen, auch ein Schaffner nicht. Der wußte sich nicht anders zu helfen, als dem armen Schuster zu glauben, was dieser andauernd beteuerte. Die Wirkung war so nachhaltig, daß er ihn auch bei den weiteren Kontrollen unbehelligt ließ. So sparte Schuster Hoffmann das Geld für die Fahrkarte und bekam — hatte er doch die Wette gewonnen — obendrein noch drei Taler.
Neben den nach außerhalb gehenden Stiefeln schafften unsere Schuster auch für die umwohnende Bevölkerung. Die Arbeit häufle sich. Die Schustergesellen begannen um 8 Uhr zu arbeiten. Mit kurzen Essenpausen ging es dann meistens bis Mitternacht. Wenn viel Arbeit vorlag, wurde es 1, 2 oder 3 Uhr. Die Nacht zum Sonntag wurde oft durchgearbeitet. Am Sonntag saß man auch noch bis über den Mittag hinaus bei der Arbeit. Dann ging es mit der fertigen Ware auf die Dörfer hinaus. Neue Bestellungen und reparaturbedürftige Schuhe wurden gleich wieder mitgenommen. Wie sah es bei dieser fast ununterbrochenen Tätigkeit mit dem Lohn aus? Die Gesellen arbeiteten auf „Halbstück“, das heißt, sie bekamen freie Unterkunft und Verpflegung, ihre Wäsche wurde ihnen kostenlos gewaschen. Außerdem erhielten sie noch Stücklohn, für ein Paar kurze Stiefel 1,25 M, für dreiviertel lange 1,50 M und für ein Paar Langschäfter 1,75 M. Ein Mann schaffte in der Woche etwa 9 bis 12 Paar. Demnach hatte
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