Heft 
(1958) 3
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weiter.Ich habe ihn totgeschossen! Ein allgemeines Gelächter war die Antwort. Auf die weitere Frage eines bisher am Gespräch nicht beteiligten Festteilnehmers, ob der Franzose auch tatsächlich ganz totgeschossen wurde, sprang Jesse auf und schrie den Fragesteller an:Ganz tot, ganz tot Sie Naseweis! und verließ eiligst, immer noch vor sich hinmurmelnd ganz tot, ganz tot, den Saal.

Wie bereits erwähnt, war Johann Georg Jesse früher Prokonsul, also zweiter Bürgermeister und gleichzeitig auch Stadtrichter von Wusterhausen gewesen. Seine Rechtssprüche und sonstige Manipulationen hatten ihm erhebliche Kapitalien verschafft. Großspurig und auf sein Geld pochend, wollte er es dem Adel unbedingt gleichtun. Aus diesem Grunde kaufte er das bereits total heruntergewirtschaftete Rittergut Bückwitz, das dann auch weder er noch sein Verwalter halten konnte. Aber mit dem Kauf war er auch der Patronatsherr der Kirche geworden. In dieser ließ er trotz Proteste der Gemeinde und auch des Pfarrers an sichtbarer Stelle einige Waffen, wie Lanze, Offlziersdegen, Dolch, Karabiner u. a., und darunter eine Tafel mit goldener Schrift anbringen. Die Tafel zeigte das Phantasie- Wappen des Jesse und darunter stand:

Diese Waffen führte der Unterzeichnete als Major und Commandeur des 12 t Landsturm-Battaillions in den Jahren 1812, 13, 14 und 15.

Bückwitz den 11 Juni 1817

Johann George Christian Jesse

als gewesener Major und Commandeur

Mit dem Umbau "der Kirche im Jahre 1838 verschwanden die Waffen. Niemand wußte Wohin. Es hatten sich hierfür Liebhaber gefunden.

Ohne heute auf die weiteren verrückten Ideen einzugehen, die auf Ver­anlassung Jesses von seinen Untertanen ausgeführt werden mußten, läßt sich schon allein aus dem bisher Geschilderten ersehen, daß Jesse bereits zu seiner Kommandeurzeit geistesgestört war. Und ein solcher Mann besaß das besondere Vertrauen der königlichen Regierung und des Gouverne­ments. Sollte dieser Zustand Jesses in den verstaubten Amtsstuben der höheren Stellen nicht bekannt gewesen sein? Aber auch nicht einer seiner Unterführer brachte den Mut auf, der Vorgesetzten Dienststelle von der Unfähigkeit ihres Kommandeurs Meldung zu erstatten. War das schon der neue Zeitanbruch? Man könnte wohl eher glauben, daß diese Erschei­nung einer längst vermoderten und vergilbten Zeitepoche angehörte.

Der gewesene Kommandeur des Wusterhausener Landsturmbataillons ist dann Jahre später, nachdem er das biblische Alter erreicht und noch oft in seiner Geistesverwirrung von der Schlacht bei Stüdenitz und von seinem Mut und seiner Tapferkeit gesprochen hatte, vollständig verarmt in einer Irrenanstalt gestorben.

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